© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/99 22. Januar 1999


Interview: Heimo Schwilk weist Vorwurf zurück
Verletzte Eitelkeit
Thorsten Thaler

Herr Schwilk, Sie haben in der "Welt am Sonntag" bislang unbekannte Briefe von Hitler und Rudolf Heß an Ernst Jünger veröffentlich. Daraufhin hat Ihnen der Herausgeber der "FAZ", Frank Schirrmacher, vorgehalten, Sie hätten nichts Neues publiziert, sondern bereits Bekanntes aufgewärmt.

Schwilk: In erster Linie ist natürlich frappierend, wenn Frank Schirrmacher die Behauptung aufstellt, die Briefe, die wir veröffentlicht haben, seien völlig unbedeutend, und gleichzeitig die gesamte Aufmacherseite des FAZ-Feuilletons freiräumt, um diese völlig unerheblichen Briefe ausführlich zu kommentieren. Das ist der erste Widerspruch. Der zweite Widerspruch: Er hat sich in seinem Text nur auf die Hitler-Briefe kapriziert. Ich habe in der Welt am Sonntag Briefe von Hitler und Rudolf Heß veröffentlicht. Da ist zunächst ein von Hitler selbst abgesandter Brief von 1926 und dann ein in seinem Auftrag im gleichen Jahr von Heß geschriebener Brief, in dem es um den Besuch Hitlers in Leipzig in der Wohnung von Ernst Jünger geht. Die Existenz dieser Briefe ist zwar bekannt gewesen, aber sie wurden im Wortlaut niemals vollständig abgedruckt.

Nun verweist Schirrmacher auf den Historiker Hans-Peter Schwarz, der 1962 bereits eine Jünger-Widmung an Hitler zitiert hat.

Schwilk: Hans-Peter Schwarz hat nicht den Wortlaut des Briefes, den Hitler an Ernst Jünger geschrieben hat, abgedruckt, sondern nur den Wortlaut einer Widmung Jüngers für Hitler. Ich habe zum ersten Mal den Brief Hitlers, der bislang im Archiv von Jünger verwahrt war, im Wortlaut abgedruckt und erstmals auch die Widmung von Ernst Jünger in seinem Kriegsbuch "Feuer und Blut" faksimiliert. Das andere sind die Heß-Briefe von 1929, die im Auftrag von Hitler geschrieben wurden. Diese bisher vollkommen unbekannten Briefe habe ich ausführlich in der Welt am Sonntag kommentiert. Es war nur bekannt, daß auch Heß Jünger geschrieben hatte. Das hat Jünger in seinen Tagebüchern vergemerkt. Aber er hat keinen Einblick eröffnet, was in diesen Briefen an ihn geschrieben steht. Das habe ich ausführlich paraphrasiert, kommentiert und historisch eingeordnet und dabei auch die Beziehung zwischen Hitler, Jünger und Heß dargestellt.

Wie erklären Sie sich dann aber, daß Frank Schirrmacher in seiner Attacke gegen Sie die Heß-Briefe vollkommen unterschlägt?

Schwilk: Weil das seinen Vorwurf stützt, die Welt am Sonntag hätte nichts grundsätzlich Neues zu bieten, und weil er empört ist, daß nicht sein Blatt die Briefe abdruckt, sondern die Konkurrenz. Was ich aber noch viel skandalöser finde, ist, daß Schirrmacher in der Empörung aus seiner verletzten Eitelkeit heraus sämtliche Positionen der FAZ zu Ernst Jünger in einem Handstreich über Bord wirft. Erst macht er Jünger den Vorwurf, er hätte eine Art von Nachruhm-Strategie entwickelt und eine Mystifizierung um seine Korrespondenz betrieben, doch dann behauptet er, die Veröffentlichung von mir zeige, daß Jünger gar nichts zu bieten habe.

Das heißt, mit einem Handstreich wird Jünger und dessen gigantische Korrespondenz von über 100.000 Briefen, darunter bedeutende Briefwechsel mit Carl Schmitt, Friedrich Georg Jünger, Julian Green, Martin Heidegger und vielen anderen, dieser gesamte Briefwechsel wird plötzlich als unerheblich bezeichnet. Nur um die These von Schirrmacher zu stützen, die von mir veröffentlichten Briefe seien unerheblich. Also muß die gesamte Korrespondenz neu gewertet werden. Und das alles nach jahrzehntelanger relativ objektiver Berichterstattung in der FAZ, von Joachim Fest über Wolf Jobst Siedler bis zu Schirrmacher selbst.

Ist mit weiteren Veröffentlichungen bisher unbekannten Materials zu Ernst Jünger zu rechnen?

Schwilk: Es gibt eine ganze Menge unbekannten Materials, das weiß Frank Schirrmacher natürlich ebenso. Ich bin zum Beispiel dabei, Akten aufzuarbeiten, die die Rolle von Ernst Jünger im Dritten Reich noch näher beleuchten. Da ist in meiner Biographie noch einiges zu erwarten.

Finden sich in der Korrespondenz Jüngers womöglich auch noch "Schlüsseltexte zum Verstänis dieses Jahrhunderts", was Schirrmacher vorsorglich bestreitet?

Schwilk: Von Schlüsseltexten des Jahrhunderts zu reden in dem Werk eines Autors, der nun serienweise Schlüsseltexte literarischer Art in seinem Leben produziert hat, ist wieder eine typische Übertreibung Schirrmachers. Eine Korrespondenz liefert solche Texte nicht, sondern sie begleitet, ergänzt und kommentiert das literarische Werk. Dennoch ist es von ungeheuer großem Interesse, mit wem Jünger über welche Themen korrespondiert hat.


 
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