© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/99 22. Januar 1999


Diether Dehm
Hofsänger und Edelmarxist
von Werner Olles

Vom 17jährigen Schüler- und "Falken"-Funktionär, der 1967 lautstark gegen den Vietnamkrieg, die NPD und die Notstandsgesetze demonstrierte, über den Texter und Interpreten geschmäcklerischer Protestsongs, wohlbestallten Platten-Millionär und Musikmanager (Wolf Biermann, Katharina Witt) und Bundesvorsitzenden der "Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD" bis zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der PDS ist ein weiter Weg. Oder auch nicht. Denn Dr. Dieter Dehm ist geradezu die Personifizierung jenes Phänotyps eines Salon-Marxisten, der zwar seinen politischen Ansichten ein Leben lang treu bleibt, aber dennnoch auf eine vertrackte Art und Weise so glaubwürdig erscheint wie die Schlange, die dem vor Angst zitternden Kaninchen versichert, sie sei doch schon immer Vegetarierin gewesen.

In der Frankfurter SPD gehörte Dehm seit den 70er Jahren zur sogenannten Stamokap-Fraktion. Diese trat vehement für Bündnisse mit der verfassungsfeindlichen DKP und von dieser dominierten Organisationen wie der VVN oder DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner) ein. Den endgültigen Schritt zur DKP hat Dehm allerdings vor allem aus taktischen Gründen nie vollzogen. Einerseits wollte er innerhalb der SPD weiterhin die bündnisbereiten "antifaschistischen" Kräfte sammeln, andererseits sah er wohl realistisch, daß in und mit der DKP im Sinne der "Zurückdrängung des Monopolkapitalismus" kaum etwas zu bewegen war.

Von 1993 bis 1996 saß Dehm als ehrenamtlicher Stadtrat im Frankfurter Römer. Als bekannt wurde, daß er in den 70er Jahren als Inoffizieller Mitarbeiter (IM Willy) der Staatssicherheit geführt wurde – sein prominentes Spitzelopfer soll der Liedermacher Wolf Biermann gewesen sein –, schied er aus dem Frankfurter Magistrat aus. Die Partei konfrontierte ihn mit einem Parteiausschlußverfahren, das mit dem halbherzigen Kompromiß endete, seine Rechte als Mitglied für ein Jahr ruhen zu lassen.

Kurz vor den Bundestagswahlen hat Dieter Dehm die SPD, der er 32 Jahre lang angehörte, dann verlassen. Er schloß sich noch im gleichen Jahr der PDS an. Am vergangenen Wochenende kandidierte der alerte Linke als Stellvertreter des PDS-Bundesvorsitzenden Bisky. Nach seiner Wahl erklärte er, sich vornehmlich um dem Auf- und Ausbau der PDS-Organisationsstrukturen im Westen kümmern zu wollen. Dazu müsse sich die PDS gegenüber Sozialdemokraten, Grünen, Gewerkschaften und Künstlern weiter öffnen als bisher und alle Linken ansprechen. Diese neue politische Aufgabe wird der erfahrene Bündnispolitiker Dieter Dehm, dem mangelnder Ehrgeiz gewiß nicht nachgesagt werden kann, mit der ihm eigenen Mischung aus Aggressivität, Chuzpe und Cleverness anpacken.


 
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