© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/99 22. Januar 1999


Kino: "Ausnahmezustand" mit Denzel Washington und Bruce Willis
Inferno fanatischer Gewalt
Ellen Kositza

New York in Aufruhr: Terroristen, fundamentalistische Moslems, versetzen die Bevölkerung in Angst und Schrecken, jagen vollbesetzte Busse in die Luft und scheinen keinerlei Skrupel vor immer blutigeren Anschlägen zu haben. Um dem Unheil ein Ende zu machen, werden gleichzeitig ein FBI-Agent (Denzel Washington) und eine Islamspezialistin des CIA (Annette Bening) als Ermittler beauftragt, im Hintergrund wartet der hochdekorierte General William Deveraux (Bruce Willis) auf ein eventuelles militärisches Kommando seitens der Regierung.

Daß Washington, quasi als ewiges Symbol des Guten und Ehrenwerten in amerikanischen Filmen, auch hier nicht aus seiner angestammten Rolle fällt, steht von vornherein fest, zweifelhaft erscheinen dagegen die Motive des Generals und der Hintergrund der CIA-Ermittlerin Elise Kraft, einer rätselhaften Frau mit obskurer Vergangenheit. Während man sich gegenseitig in Konkurrenz und aus gegenseitigem Mißtrauen verschiedene Ermittlungsergebnisse vorenthält, tickt schon wieder eine Bombe, und die Stadt droht in einem Inferno fanatischer Gewalt zu versinken. Blut wird spritzen, Tränen werden fließen, das Böse wird vernichtet – vielleicht.

Der aktuelle Bezug des Films ist deutlich: Nachdem 1993 das World Trade Center in die Luft gejagt wurde, ist Terrorismus für die USA kein Fremdwort mehr, ebenso akut wurde in jüngerer Zeit das Problem des militanten religiösen Fundamentalismus. Wie geht eine liberalistische Schmelztiegel-Gesellschaft mit radikalen, in gewissem Maße kulturell bestimmten Überzeugungen um?

Produzent und Regisseur Edward Zwick beschreibt diese Frage sogar als die wesentliche. "Ausnahmezustand" sei kein Film über Terrorismus, sondern über gesellschaftliche Fragen allgemein: Wie reagiert man auf einen Angriff, der nicht von außen, sondern von Teilen der eigenen Bevölkerung gestartet wird? Droht der Feind moderner Gesellschaften von innen? Sind Bürgerkriege die zukünftige Bedrohung?

So stellt die ohne Frage spannende Filmhandlung zudem ein aktuelles Zeitstück dar. Alles in allem ein klassischer Politkrimi, durchwachsen von im Wortsinne bombastischen Actionszenen. Experimente sind in diesem Genre nicht üblich und ohnehin nicht gefragt: Sein sicheres Publikum hat diese Filmart mit genau dieser Personenkonstellation und exakt diesem Aktionsmuster. Welchen Grund gäbe es also für Produzent oder Regisseur, daran zu feilen?

Sicher, vieles ist von vornherein als Struktur festgelegt und entspricht den Elementen unzähliger anderer Ami-Politthriller: Ein Schwarzer und ein Weißer als Protagonisten, eine Frau in einer weiteren Hauptrolle; Patriotismus und Verteidigung der Demokratie als Handlungsmotive im weitesten Sinne. Die obligatorischen lärmenden Verfolgungsszenen, die multikulturelle Ermittlungstruppe, der dem europäischen Film zu fremde Heroismus des letztlich siegenden Guten tun ein übriges, um "Ausnahmezustand" diesem gewissermaßen gediegenen US-Schnitt zuzuordnen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen