© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/99 29. Januar 1999


William Butler Yeats: Zu seinem 60. Todestag
Patriot und Nietzscheaner
Werner Olles

Am 13. Juni 1865 wurde William Butler Yeats in der irischen Hauptstadt Dublin geboren. Mit neunzehn Jahren besuchte er die dortige Kunstakademie. Yeats hatte zunächst die Absicht Maler zu werden, vor allem die west-irische Landschaft hatte es ihm angetan und zu verschiedenen wunderschönen Bildern inspiriert. Aber bereits zwei Jahre später gab er diese Absicht auf, um sich endgültig der Dichtkunst zu widmen, zu der er sich mehr und mehr hingezogen fühlte.

Zuerst in Dublin, später dann auch in London gründete der Sproß einer mittelständischen, protestantischen Familie literarische Zirkel, die stark unter dem Einfluß des irischen Nationalismus standen. Obwohl er sein Leben lang Irland und zahllosen Legenden und Volkssagen seiner Heimat verhaftet blieb, geriet er in London unter den Einfluß der symbolistischen Bewegung um William Blake, freundete sich aber auch mit Oscar Wilde und William Morris an.

Yeats’ erste symbolistischen Gedichte folgten noch präraffaelitischen Vorbildern. Aber sein Interesse am Dramatischen und Lyrischen trat schon bald stärker hervor. "The Countess Kathleen and Various Legends and Lyrics" (1892, "Gräfin Kathleen") ist eine keltische Version des "Faust", eine mitleidende Gräfin verkauft dem Teufel ihre Seele, um den hungernden Bauern Nahrung zu verschaffen, aber da Gott nicht nur die Tat, sondern auch die gute Absicht dahinter sieht, wird sie gerettet.

Yeats’ Lyrik ist hier von prunkvoller Symbolik, die Rhythmen gemessen, die Wortbilder traumhaft düster und von großer Eindringlichkeit. Die Dramen "The Land of Hearts Desire" (1894, "Das Land der Sehnsucht"), "The Shadowy Waters" (1900, "Die schattigen Wasser") und "Deirdre" (1907) sind dagegen von Männlichkeit und Leidenschaft geprägt, ebenso wie der Gedichtband "The Green Helmet and other Poems" (1910, "Der goldene Helm") oder die Dramen und Versdramen, die er für das "Abbey Theatre" schrieb.

Hier wurden auch andere Stücke über irische Themen gespielt, so von Synge und O’Casey, zumeist aber Stoffe von Yeats und Lady Gregory, mit deren Hilfe er jene nationalistische Theaterbewegung ins Leben gerufen hatte.

Als der Osteraufstand 1916 tragisch scheiterte, war Yeats, der starken Anteil am Schicksal Irlands nahm, in die großen Unruhen im Land verwickelt. Die Werke, die in dieser Zeit entstanden, verherrlichten die Würde, Spontaneität und Personalität des Menschen.

Yeats beschreibt den Aufstieg und Niedergang von Kulturen, aber auch die vielfältigen Schrecken egalitärer und totalitaristischer Bewegungen. Seine Zyklenlehre ist stark an Oswald Spengler angelehnt. Viel mehr aber noch stand er im Bannkreis Friedrich Nietzsches, mit dem seine philosophischen Anschauungen viele Berührungspunkte zeigen. 1917 heiratete Yeats die Engländerin Georgie Hyde-Lees, eine Anhängerin okkulter Geheimlehren, deren Erfahrungen und Erlebnisse er symbolisch ausgestaltete.

Nach der Gründung des Irischen Freistaates im Jahre 1922 wurde Yeats zum Senator ernannt, ein Jahr später erhielt er den Nobelpreis. Den Gipfel seines literarischen Schaffens erlangte er mit den beiden Gedichtbänden "The Tower" (1928) und "The Winding Stair" (1933).

Die Verse sind in einem fast wehmütigen Ton gehalten, wie bei den meisten Stücken des Dichters. Aber aus dieser eigentümlichen Klage und Wehmut spricht sich auch das überwundene Leid aus, das er vor allem mit der zweiten Auflage von "A Vision" (1937) symbolisch verdeutlichte. Hier wird am besten spürbar, daß Yeats sich über eine sehr lange Zeit intensiv und ernsthaft mit fernöstlichem Gedankengut beschäftigte, das seine philosophischen Anschauungen stark beeinflußte.

Yeats’ Werk atmet den Geist einer antiken und doch modernen Lebensweisheit, der eigenartige Ton besitzt eine atmosphärische Dichte, die in ihrem poetischen Ausdruck eine tragische Grundhaltung zu verbergen suchte. Aber es sind vor allem anderen seine von Lebensfreudigkeit und Leidenschaft beseelten lyrischen Gedichte, die zum bleibenden Schatz der irischen, letztlich jedoch auch europäischen Literatur gehören.

William Butler Yeats starb am 28. Januar 1939 im Alter von 73 Jahren im südfranzösischen Cap Martin.


 
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