© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/99 29. Januar 1999


Für Assimilation
von Franz Harder

Alle Punkte des Programms der neuen Regierung werden heftig umstritten, nur die weitere Liberalisierung des Staatsbürgerschaftsrechts bis zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft gilt als beschlossene Sache. Dabei wäre gerade bei Themen mit langfristigen Folgen Vorsicht geboten.

Zuerst die Frage: Wem nützt das? Vor allem will die Türkei ihren Geburtenüberschuß unterbringen, ihn in Deutschland legitimieren und ihren Einfluß in Europa stärken. Andere spielen den Türken zu, weil es die Sicherheitsinteressen im Nahen Osten fordern, die Grünen rechnen auf Stammwähler, die FDP eifert ihr nach, und die übrigen Parteien haben Angst, von dem "Wählerkuchen"-Ausländer nichts zu bekommen. Alles wird durch gefühlsmäßige kosmopolitisch-liberale Gutmenschlichkeit "garniert" oder fetal angenommen und vom Zeitgeist vorangetrieben.

Bündnisse zerfallen schnell, die Türken können ihre Ausländerpartei gründen (siehe Bulgarien), der Zeitgeist kann "abstumpfen" oder seine Richtung ändern, letztendlich verbleiben nationale Minderheiten, mit denen die Deutschen ihre Heimat teilen müssen. Außen- und innenpolitische Komplikationen kommen dazu. Und schon demonstriert der türkische Botschafter für die Ruhrkohle, und die Türkei diktiert ihren in Deutschland eingebürgerten Landsleuten, wen sie zu wählen haben. Hohe Kriminalität unter den Ausländern mit besonders hoher Wiederholungsquote bei Jugendlichen ist ein Thema für sich. Der "Regionalimperialismus der Islamisten" (Heiner Geißller) bringt uns ebenso Sorgen.

Es entsteht dann die Frage: Wie stellt man sich die Zukunft vor, welche Visionen gibt es? Ohne diese Frage zu beantworten, schleudert man dem Bürger das Zauberwort "Integration" hin, unter dem jeder versteht was er will, und wer dem nicht glaubt ist eben "rückständig". Dabei können sich heute eine "Integration" – Aufnahme von fremden Bevölkerungsgruppen ohne Aufhebung ihrer nationalen Identität, schadenfrei und nur für eine begrenzte Zeit – allein Kanada und Australien erlauben. Für ein dichtbesiedeltes Land wie Deutschland dürfte nur "Assimilation" von Zuwanderern gelten, so der renommierte Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeld.

Kaum hat man erkannt, daß mit der Umwelt nicht alles zu machen ist, was man will, wäre es an der Zeit auch den Menschen als Bestandteil der Natur zu betrachten, ihn in seiner Eigenart, wie auch seine "Ökologie" zu schätzen.

In den 80er Jahren wurde mit dem Paradebeispiel "gelungene Integration der Ruhrpolen" jongliert. Doch selbst die "Integration" dieser uns ethnisch, kulturell und konfessionell nahestehenden Polen brauchte drei Generationen von Reibungen, bis diese sich endgültig zu Deutschen assimilierten.

Bei Türken dagegen geht die Integrationsbereitschaft zurück: "Die Hoffnung, die dritte Generation werde so gut deutsch wie türkisch sprechen, hat sich trotzdem nicht erfüllt. Mancher Enkel könnte seinen Großvater als Übersetzer brauchen, um sich in seinem Geburtsland außerhalb ‘Klein-Istanbuls’ verständlich zu machen", schreibt der Spiegel in Nr. 44/1998 über Zustände in Berlin-Wedding. Türken haben ihre Geschäfte, sind mit türkischen Fernsehkanälen und Videos voll versorgt, haben ihre Vereine, werden von türkischen Geistlichen beeinflußt und brauchen immer weniger das Deutsche.

Die Deutschen ihrerseits fühlen sich in der ihnen immer fremder werdenden Umgebung nicht heimisch und ziehen aus. Eine schleichende Vertreibung findet statt. Selbst die einst munteren Lichterkettenteilnehmer legen großen Wert darauf, privat möglichst wenig mit Ausländern in Berührung zu kommen und bemühen sich, ihre Kinder nicht in Schulen mit einem hohen Ausländeranteil zu schicken. Die Entwicklung läuft ungefähr in dieselbe Richtung wie in den USA mit der Hispanisierung des Südwestens, allerdings mit dem Unterschied: Wenn die Hispanos durch Zuzug und höhere Geburtenrate ihre Heimat zurückerobern, so verlieren die Deutschen ihre eigene. Ethnische Konflikte wie in Libanon, Jugoslawien, GUS sind vorauszusehen. Zwar wird von vielen anerkannt, daß z.B. doppelte Staatsbürgerschaft den Ausländern Vorteile gegenüber den Deutschen bringen würde, man übersieht aber die ethnischen Prozesse in der Bevölkerungsentwicklung, die vielfach gravierender sind.

Einer Integration von Ausländern wäre naturgemäß deren Assimilation mit anschließender Einbürgerung zu bevorzugen. Anderenfalls machen wir die einstigen Gastarbeiter zu "Eroberern". Die Entscheidung zu Deutschen zu assimilieren kann aber nur freiwillig getroffen werden. Es bedarf auch keiner Unterstützung des Staates, die Kultur der Ausländer hier aufrechtzuerhalten. Dazu sind die Heimatländer der Ausländer bei sich zuständig. Da der deutsche Rechtsstaat den Alltag eines Ausländers oft besser schützt als sein Heimatland, hat es auch keinen Sinn eine weitere Liberalisierung des Staatsbürgerschaftsrechts voranzutreiben.

 

Franz Harder, 69, wurde in Gnadenthal, einem deutschen Dorf in der Ukraine geboren. 1941 Deportation nach Kasachstan, 1980 Ausreise nach Deutschland. Er lebt heute in Leopoldshöhe.


 
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