© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/99 05. Februar 1999


NRW: Parteichef Rüttgers will CDU erneuern
Die Wähler abholen
Alexander Schmidt

Die CDU hat, so lassen zumindest die Reden auf dem Landesparteitag der CDU in Nordrhein-Westfalen meinen, aus der Niederlage im vergangenen Jahr gelernt. Aus Helmut Kohls Durchhalteparole "Weiter so Deutschland" – die auch die letzten unschlüssigen Wähler vergraulte – wurde der hintersinnige Spruch des neuen Vorsitzenden der CDU in NRW, Jürgen Rüttgers: "Wer siegen will, wird siegen".

Für ihn persönlich hat er sich bereits bewahrheitet. Mit 64 Stimmen Vorsprung setzte er sich in der Stichwahl um den Landesvorsitz in der nordrhein-westfälischen CDU gegen den Oppositionsführer im Landtag, Helmut Linssen, durch und löste den bisherigen Vorsitzenden Norbert Blüm ab. Auf die Mitbewerberin Christa Thoben entfielen im ersten Wahlgang 179 der 650 Delegiertenstimmen. Rüttgers will den Christdemokraten den Weg in die Regierung weisen, indem der Wille zum Wandel auch den 200.000 Mitgliedern und potentiellen Wählern deutlich gemacht werden soll. Die CDU müsse die "Wähler da abholen, wo sie sind".

Das Konzept für die künftige Machtübernahme scheint schlüssig. Rüttgers Aussage "Der Regierungschef macht nicht alles falsch, aber die CDU kann das besser" bewährte sich schon in der Bundestagswahl in ähnlicher Form gegen eine Regierung, die nur halb so lange über eine Mehrheit im Bundestag verfügte wie die SPD im nordrhein-westfälischen Landtag. Mit einem Wahlsieg der Union kann trotzdem erst im Jahre 2005 gerechnet werden. "Ich werde mein Bundestagsmandat bis 2000 wahrnehmen", so Rüttgers über seine politische Zukunft. Danach gäbe es für ihn keinen Weg mehr zurück in die Bundespolitik. Sicher scheint, daß der jugendlich wirkende Rüttgers bei den Landtagswahlen im Jahr 2005 gegen den dann 60jährigen Clement auftrumpfen kann. Weiterhin steht noch aus, ob der unterlegene Linssen Oppositionsführer im Landtag bleiben wird oder der wirtschaftspolitische Sprechers der Fraktion, Laurenz Meyer, seine Nachfolge antreten soll.

Rüttgers’ Engagement gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft wie seine Aussage "Mehr Lehrer, mehr Polizei – aber weniger Subventionen und weniger linke Vorzeigeprojekte" belegen die richtige Entscheidung der Delegierten zur Wahl Rüttgers. Unterstützung hat Rüttgers aus den einzelnen Verbänden zu erwarten. Er ist Befürworter der Unterschriftenaktion, die auf Anfrage der jungen freiheit bei der Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf in allen Kreisverbänden angelaufen sei. Wie viele Unterschriften bislang zusammengekommen sind, ist nicht bekannt.

Rüttgers will für eine konservative Politik stehen, die den Bedarf an Halt und Orientierung decken soll. Dabei vertrete er weder "nur die Gesunden, Jungen, die Besserverdienenden wie die Politik der Möllemänner und Westerwelles", aber auch nicht die Idee, daß man "die Schwachen schützt, indem man die Starken schwächt", sondern die Politik einer ständigen Stärkung der Familie. Ein Gegensatz zwischen sozialem Profil und wirtschaftlichen Reformen wäre die falsche Alternative. Rüttgers: "Die Familie gibt Heimat auch in Zeiten des Umbruchs." Zudem müsse der Ausbau des Bildungssystems, der auch ihm den Aufstieg ermöglicht habe, in Nordrhein-Westfalen vorangetrieben werden.

Für eine Profilierung der Partei unter dem Motto "Bleiben wir uns treu" sprach sich auch der ehemalige Landesvorsitzende Norbert Blüm aus. Die CDU sei keine Sammlungspartei aus Lobbyisten und Machtstrebenden, sondern eine "Drei-Strom Partei", die aus konservativen, liberalen und christlich-sozialen Ideen definiert. Es gelte, so Blüm weiter, für die Christdemokraten den Kompromiß zu finden zwischen liberalistischem Egoismus und "altsozialistischen Betreuungskolonnen". Auf Dauer könne kein Staat bestehen, "wenn seine Bürger nicht Verantwortung für die öffentlichen Aufgaben übernehmen und die res publica zu ihrer Sache machen".


 
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