© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


An die Grenzen gestoßen
von Alexander Schmidt

Die Floskel "Aller guten (oder schlechten) Dinge sind drei" hat sich auch in der Politik bestätigt. Das am Dienstag verkündete Urteil des Verfassungsgerichtshofes in Münster versetzte den Sozialdemokraten mit dem Verbot des "Superministeriums" in Nordrhein-Westfalen den Stoß zur dritten Niederlage in nur kurzer Zeit nach der Wahlschlappe in Hessen und dem Abblitzen der doppelten Staatsbürgerschaft in der Bevölkerung.

Wolfgang Clement, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, legte im vergangenen Jahr im Alleingang Justiz- und Innenministerium zusammen. Nach einem Gesetz von 1970 wurde aber die Organisationsgewalt des Ministerpräsidenten beschränkt und im Sinne eines institutionellen Gesetzesvorbehaltes gebunden. Mit seinem Experiment der Zusammenlegung hat er die Rechnung ohne den Landtag gemacht, und wurde jetzt auf den Boden der Verfassungstatsachen zurückgeholt. Damit hat Clement gespürt, daß auch er trotz der ihm Deckung bietenden neuen Regierung halt nur erster Minister – und das heißt erster Diener des Volkes in NRW – und damit weiterhin an die bestehende Trennung von Legislative und Exekutive gebunden ist. Der Versuch, einmal Präsident ohne das Präfix Minister zu spielen, ist erbärmlich fehlgeschlagen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtes beinhaltet aber mehr.

Von einer Abfuhr an eine Politik, die versucht, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens Einfluß zu nehmen, ganz abgesehen, ist das Urteil aus Münster ein hallendes "JA" zu der Unabhängigkeit der Gerichte und damit eine Stärkung der freiheitlichen Demokratie, deren Grundfeste nicht zuletzt aus der Trennung von Legislative und Exekutive – also Justiz- und Innenministerium – bestehen. Nach dem Scheitern der Klage gegen die Währungsunion vor dem Bundesverfassungsgericht wurde die Frage immer lauter, ob denn unsere Richter wirklich unabhängig seien. Im gleichen Atemzug und Kontext wurde hinzugefügt, daß Politiker "ja sowieso das machen, was sie wollen". Der Beleg schien in dem Karlsruher Urteil zum Euro mehr als offensichtlich.

Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat mit dem Aufzeigen der Grenzen eines machtbewußten Ministerpräsidenten und dem Schutz der Gewaltenteilung mehr gegen diesen Trend der Politikverdrossenheit geleistet, als Werbekampagnen der Regierung je leisten konnten. Die Nordrhein-Westfalen haben gelernt: es gibt sie noch, die vielbeschworene Demokratie. Nur bei Wolfgang Clement hapert es noch mit dem Verstehen. Schon kurze Zeit nach dem Urteil ließ er verlauten: "Ich halte eine Fusion der Ministerien nach wie vor für richtig."


 
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