© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


PDS: Opferverbände glauben nicht an Läuterung der Postkommunisten
"Ein verbrecherisches System"
Werner H. Krause

Kaum jemand verfolgt das derzeitige Tun und Treiben der SED-Nachfolgepartei PDS aufmerksamer als die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), die weit über zehntausend ehemalige politische Häftlinge der früheren DDR in ihren Reihen vereint. Während Teile des linken Spektrums den Eindruck zu erwecken versuchen, als handele es sich bei der PDS mittlerweile um eine "stinknormale demokratische Partei" wie alle anderen, die im Bundestag vertreten sind, teilt die UOKG weder diese Ansicht noch die Schlußfolgerungen, die daraus im Umgang mit den Postkommunisten gezogen werden.

Gerhard Finn, als Schüler wie so viele seiner Altersgefährten in der damaligen Ostzone von der sowjetischen Besatzungsmacht fälschlich der Tätigkeit für den Wehrwolf beschuldigt und im berüchtigten Speziallager Buchenwald eingepfercht, leitet heute als Vorsitzender die Union der Opferverbände. Für ihn steht außer Zweifel, daß in letzter Zeit zunehmend restaurative Kräfte in der PDS ihren "Freischwimmer" ablegen. Sie stellten mit ihren lautstarken Forderungen nach Amnestie und Beendigung der Strafverfolgung von DDR-Unrechtstaten die demokratischen Einrichtungen der Bundesrepublik auf den Prüfstand. Dahinter stecke der Versuch, einmal herauszufinden, was man dem Staat alles zumuten kann, ohne dabei auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Man möchte damit vor allem auch die eigene Klientel beeindrucken: Seht her, was wir schon wieder für Töne anzuschlagen wagen.

 

Steuergelder für eine PDS-Stiftung rufen Zorn hervor

Der Aufstieg des Hardliners Michael Benjamin von der kommunistischen Plattform, ein stalinistischer Altkader, Sohn der früheren DDR-Justizministerin Hildegard Benjamin, in das höchste Parteigremium der PDS stellt für die Union der Opferverbände keine Überraschung dar. "Da hat sich jemand am Uhrzeiger zu schaffen gemacht und ihn zurückgedreht", so die einhellige Meinung des UOKG-Vorstandes. Nicht Wandlung in der PDS, sondern Wende ist angezeigt.

Eine Nachricht dieser Tage, daß die PDS für eine parteinahe Stiftung mit Namen "Rosa Luxemburg" in diesem Jahr acht Millionen Mark aus dem Regierungsetat erhalten wird, ruft bei Gerhard Finn besonderen Zorn hervor. "Die Opferverbände", sagt er, "müssen sich nach dem derzeitigen Stand der finanziellen Förderung aus Mitteln der öffentlichen Hand mit einem Fünftel dieser Summe bescheiden. Hier waltet einfach politische Instinktlosigkeit, kreditiert man den SED-Nachfolgern einen höheren Stellenwert als den Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft, die viel zur Überwindung des inhumanen SED-Regimes beigetragen haben."

Viele der heutigen UOKG-Mitglieder stehen persönlich in harter Konfrontation mit jenen Leuten, denen Pfarrer Schorlemmer bereits wieder christliches Verzeihen angedeihen lassen möchte. Für Gisela Gneist, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sachsenhausen 1945–1950, hieße dies beispielsweise sich wortlos damit abzufinden, daß sich der Historiker Lutz Prieß an der Aufarbeitung des furchtbaren Geschehens in dem ehemaligen sowjetischen Speziallager 7 in Sachsenhausen beteiligt.Er gehörte bis zur Auflösung im Jahre 1990 dem Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED an und pries in vielen seiner Schriften den Kommunismus als die humanste Gesellschaftsordnung der Welt.

Von kommunistischen Verbrechen war da bei ihm keine Rede. Seinerzeit schrieb er: "Die Sowjetunion war für viele die erste Begegnung mit dem Sozialismus, seiner Kultur, seinem Humanismus." Tausende von Häftlingen, welche von der NKWD nach Kriegsende in eines der zahlreichen Speziallager eingepfercht wurden, mögen die erste Begegnung mit der Sowjetunion in gänzlich anderer Erinnerung haben.

"Ich kann es einfach nicht hinnehmen, daß heute dieser SED-Historiker so tut, als hätte er niemals ein Wässerchen getrübt, und mit den Opfern so redet, als gehe es ihm zu Herzen, was denen an Schmerz und Leid von der sowjetischen Macht zugefügt wurde", meint Gisela Gneist. Mehrfach hat sie an die brandenburgische Landesregierung Briefe geschrieben und ihre Empörung über die Bestallung des früheren SED-Historikers auf einem solch sensiblen Gebiet wie der Befragung von Opfern der kommunistischen Gewalt zum Ausdruck gebracht. Erreicht hat sie bislang nichts. Der Sprecher des brandenburgischen Kulturministeriums ließ sie jedoch wissen: "Die Einstellung eines PDS-Mitgliedes war für uns keine Frage der Parteizugehörigkeit, sondern eine der Qualifikation." Eine solche Auffassung spricht wahrlich Bände.

 

Kopfschütteln über den postulierten PDS-Wandel

Der Vorsitzende des Unabhängigen Vereins zur historischen, politischen und juristischen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, Rheinhardt Thomas, Landtagsabgeordneter in Schwerin und UOKG-Mitglied, führt ebenfalls harte Auseinandersetzungen mit der PDS in Mecklenburg-Vorpommern.

Für ihn steht fest, daß die Rückkehr der alten SED-Nomenklatura strategisch, taktisch und konspirativ in Gang gesetzt wurde. Er macht auch aus seiner Überzeugung kein Hehl, daß die strategische Zusammenarbeit bestimmter Kreise innerhalb der SPD mit den SED-Nachfolgern auf jenen Vereinbarungen beruht, die seinerzeit in dem bekannten gemeinsamen Grundsatzpapier mündeten. Man sollte sich in Erinnerung rufen, sagt Thomas, daß die SED Anfang der siebziger Jahre unter Honecker gezielt die Linken in Westdeutschland ausgespäht hat, um Ansatzpunkte für Gemeinsamkeiten im politischen Denken und Handeln zu erkunden.

"In dem ausgearbeiteten Grundsatzpapier von SPD und SED, so wird mir heute immer mehr klar, drückte sich schon damals aus, daß gewisse Kräfte in der SPD offenbar gewillt waren, gemeinsame Sache mit den Verantwortlichen für die kommunistische Gewaltherrschaft in der DDR zu machen." Über den von mancher Seite postulierten Wandel in der SED-Nachfolgepartei PDS vermag Rheinardt Thomas nur den Kopf zu schütteln. "Da bin ich nun wirklich ein ungläubiger Thomas", sagt er. Viele Worte von Lothar Bisky, Gregor Gysi und bislang auch André Brie seien Schall und Rauch. Weiter das UOKG-Mitglied: "In den Parteigruppen landauf und landab klingt es ganz anders. Da ist von der Überwindung des jetzigen Systems und Schaffung eines anderen Deutschlands die Rede, wird wieder der Sozialismus als Ziel beschworen, so als hätte sich dieses System niemals in den Augen vieler Menschen völlig diskreditiert, weil es schlichtweg in allen Lebensbereichen versagt hat."

Roland Bude, Vorstandsmitglied der Union der Opferverbände, gehört der Internationalen Assoziation ehemaliger politischer Gefangener und Opfer des Kommunismus an. Erst kürzlich gab die Assoziation auf ihrer Zusammenkunft in Zagreb die Erklärung ab, daß sie weiterhin auf eine Verurteilung des Kommunismus durch ein Internationales Tribunal besteht. Adressat der Zagreber Erklärung sind u.a. verschiedene Gremien der EU.

Roland Bude kommentiert dies mit den Worten: "Es ist einfach ein notwendiger Schritt, um den Kommunismus in seiner Gesamtheit als ein verbrecherisches System an den Pranger zu stellen, dies auch anbetrachts der Versuche, die Vergangenheit so schnell wie möglich aus dem Gedächtnis der Menschen tilgen zu wollen. Dem aber wird sich die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft mit ihrer ganzen Kraft widersetzen."


 
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