© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Klaus Zwickel
Macht und Fortschritt
von Victor V. Capé

Die Industriegewerkschaft Metall fordert hohe Prozente an Lohnerhöhung in denTarifverhandlungen und es geht jetzt in die Urabstimmung. Der Streik ist wahrscheinlich und an der Spitze der Arbeiter steht einer der ihren, der schon längst die alltägliche Maloche mit den Vorzügen eines Funktionärslebens zu tauschen wußte.

Seit über 45 Jahren ist Klaus Zwickel in der IG Metall. Der gelernte Werkzeugmacher, der 1953 die Volksschule absolvierte und bei der mittelständischen Firma Schneider in Nordheim sein Handwerk erlernte, war zuerst Betriebsratsvorsitzender und wurde 1957 Mitglied der IG Metall-Ortsverwaltung. Schnell stieg er in den Reihen seiner Kollegen auf und erlangte Beachtung durch sein persönliches Engagement für die Belange der Belegschaften. 1986 wurde er so geschäftsführendes Vortstandmitgleid der IG Metall und 1989 ihr zweiter Vorsitzender. Seit Oktober 1993 ist er nun der Mann an der Spitze und gilt als einer der gewieftesten Männer des DGB – gefürchtet von Arbeitgebern, verehrt von den Metallern.

Zwickels Aktivitäten sind nicht auf Deutschland beschränkt. Er ist seit Juni 1993 auch Präsident des internationalen Metallgewerkschaftsbundes (IMB). Privat ist er der Norbert Blüm des Gewerkschaftsbundes. Ziel seiner Reisen ist vor allem Norditalien und Süd-Tirol. Als leidenschaftlicher Bergsteiger will er auch in den Dolomiten hoch hinaus und treibt so mache Tour auf die Spitze. Das Gipfelkreuz der diesjährigen Tarifverhandlungen wird jedoch wohl erst nach einem harten Kampf gegen die Arbeitgeber zu erblicken sein. Kämpfen muß er dabei auch mit seinen Leidenschaften, denn sieht er sich zwar als Bergsteiger immer noch auf der Seite der Asketen, kämpft er bei Wein und gutem Essen mit kulinarischen Versuchungen – glaubt man dem FAZ-Fragebogen. Vor allem wenn er es seinen Mitarbeitern in seinem Heilbronner Zuhause selber zubereiten kann, ist Maßhalten angesagt, wie im richtigen Leben. Und das schöne "bei einer Rose wie bei einer Frau", wisse er auch zuschätzen, verrät er. Vor allem aber "Intelligenz, Witz und Verläßlichkeit" – so antwortete er auf die persönliche Frage, was er an einer Frau am meisten schätze. Dabei verkündet der Gewerkschaftsführer Liebe zum größten persönlichen Glück. Man will es ihm glauben. Eine Eigenschaft, die wohl die Nähe zu den "Kumpels und Kollegen" hält.

Stellt sich noch die Frage nach der Verbundenheit mit der Gewerkschaftsbewegung nach dem Krieg. Hier war Zwickel unzweifelhaft ein Verfechter der Bildung von Einheitsgewerkschaften, denen es gelungen sei, eine enorme Stoßkraft zu entwicklen. Seinen Willen zur Macht verkleidet er in die elegante Formel: "Macht, verantwortungsvoll eingesetzt, ist Voraussetzung für Fortschritt und Veränderung."


 
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