© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Demo gegen Doppelpaß: Erste Aktion von Horst Mahlers Gruppe "Unser Land"
"Ihr verpestet die Luft"
Karl-Peter Gerigk

"Folgt Horst Mahler und Ihr landet in Stammheim. Ihr verpestet die Luft, unser Land und versaut unsere Zukunft", schreit eine Gegendemonstrantin auf der "Neuen Montagsdemonstration" am Anhalter Bahnhof in Berlin. Etwa fünfzig Befürworter – unter ihnen auch der ehemalige Terrorist der "Bewegung 2. Juni", Michael ("Bommi") Baumann – und Gegner der doppelten Staatsbürgerschaft für Ausländer haben sich um den Initiator der Initiative "Unser Land", den Rechtsanwalt Horst Mahler, versammelt, um sich gegenseitig die Hölle heiß zu machen. So bleibt es nicht aus, daß sich die Parteien nicht nur in verbalen Wortgefechten ergehen, sondern auch mit Handgreiflichkeiten nicht sparen. Die Ordner müssen die Beteiligten wieder zur Vernunft bringen.

Auf den einen Plakaten steht "Kein Rassismus", auf den anderen "Doppelpaß Nein". Wenn auch die Befürworter der doppelten Staatsbürgerschaft in der Minderheit sind, werden sie doch, bevor sich der Demonstrationszug vom Anhalter Bahnhof in Bewegung setzt, stärker wahrgenommen. Auffällig ist der Altersunterschied zwischen den beiden Gruppen. Während unter den Gegendemonstranten vor allem junge Leute auszumachen sind, haben die Gegner einer doppelten Staatsangehörigkeit in ihrer Mehrzahl die vierzig bereits überschritten.

Horst Mahler kritisiert das fehlende Engagement junger Leute für ihr Land. "Vielfach findet sich Engagement nur in der autonomen Szene. Diese Radikalen sind aber im Prinzip nichts anderes als die moderne SA der Linken – also neuartige Nationalsozialisten. Gegen diese – und gegen die, die unser Land ausverkaufen wollen – müssen wir jetzt etwas unternehmen," sagt Mahler zu seiner Aktionsgruppe. "Wir wollen die Menschen motivieren etwas für ihre Interessen zu unternehmen. Wir treffen uns künftig regelmäßig und ziehen unserer Aktion ’Unser Land’ am Freitag bei einer Gründungsversammlung die Korsettstangen ein", zeigt sich Mahler zuversichtlich. Gewarnt wurde bei der Demonstration vor allem davor, daß vier Millionen Menschen ausländischer Herkunft mit der deutschen Staatsbürgerschaft beschenkt werden sollen.

Gegner warnen vor "völkischen Minderheiten"

Die Gegner einer doppelten Staatsangehörigkeit für Ausländer zitieren vor allem die Befürchtungen prominenter Politiker, daß es demnächst eine Vielzahl von Fremden mit deutschem Paß in Deutschland gebe. Auch könnten die Ausländer mit deutschem Paß ihre Ehepartner vorwiegend in den Herkunftsländern suchen. Rechtlich sei der Zuzug von Ehepartnern und Familienangehörigen aus den Ländern außerhalb der EU nicht mehr zu bremsen. Auch würden durch den Geburtenüberschuß bei den Fremden die "völkischen" Minderheiten schnell anwachsen. Ein weiteres Problem sei es, daß die Fremden mit deutschem Paß die Gruppeninteressen ihrer Landsleute, mit den ihnen zugewachsenen Staatsbürgerrechten viel besser und effektiver vertreten könnten. Auch die unbestimmte Angst vor der Überfremdung wird in den verteilten Flugblättern von der Furcht bestimmt, die Deutschen könnten im Laufe von nur fünfzig Jahren zu einer Minderheit im eigenen Land werden. Die eingebürgerten Türken könnten so bei Wahlen das Zünglein an der Waage spielen. Man würde dann die "völkischen" (Mahler verwendet ausdrücklich diesen Begriff) Minderheiten mit Wahlgeschenken überhäufen, um ihre Stimmen zu bekommen, heißt es in dem Flugblatt der Aktion "Unser Land".

Der Demonstrationszug setzt sich gegen 13 Uhr in Richtung der SPD-Parteizentrale in Bewegung. Die Gegendemonstranten folgen nicht, sondern ziehen sich in die umliegenden Kneipen zurück, um sich ein Mittagessen zu gönnen. Begleitet wird der Zug von etwa 20 Polizisten mit Mannschaftswagen, die jedoch mit den Demonstranten keine größeren Schwierigkeiten haben. Am "Willy-Brandt-Haus" angekommen, drängen etwa fünf Demonstranten in das Foyer und entrollen ein Transparent mit der Forderung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Die Polizei schreitet ein und hält die Demonstranten vorläufig an Ort und Stelle fest, will die Personalien feststellen und verweist die an dieser Aktion Beteiligten dann des Hauses, ohne daß es zu Festnahmen kommt. "Wir werden wieder hierherkommen, und es zu einer sich wiederholenden Aktion ausbreiten, damit die Leute merken, was diese Koalition anrichet. Eine multikulturelle Gesellschaft wird nicht friedlich bleiben. Die Ausländer sind Gäste in unserem Land und können nicht für immer hier bleiben. Deutschland ist auf schleichendem Wege nicht zu erobern", sagt Horst Mahler am Rande der Demonstration gegenüber Journalisten.

Ein früherer Weggefährte von Otto Schily, Gert Schneider, der sich heute in der "Deutschland-Bewegung" von Alfred Mechtersheimer engagiert, bläst in dasselbe Horn: "Es müsse ein Zeichen gesetzt werden, daß sich in puncto Einwanderung etwas ändert in diesem Land. Wir haben zu viele Einwanderer. Wir bräuchten ein Einwanderungsgesetz mit Quoten. Diese müßten jetzt auf Null gesetzt werden."

Umdenkprozeß bei alten 68ern spielt eine Rolle

Die Aktion steht im Zusammenhang mit der jüngsten Wandlung von Alt- 68ern, die der Studentenrevolte einen nationalrevolutionären Charakter zuschrieiben und eine multikuturelle Gesellschaft ablehnen, da sie zu einem kulturellen und moralischen Verfall führe und das Selbstverständnis der Gemeinsamkeiten mitteleuropäischen Kultur vernachlässige. Die führte auch zu einem Disput an der Freien Universität Berlin (JF berichtete).


 
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