© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Sachsen-Anhalt: DVU-Fraktion verliert vier Abgeordnete
Übergang zur Tagesordnung
Hans-Peter Rissmann

Der Landtagsfraktion der "Deutschen Volksunion" (DVU) in Sachsen-Anhalt könnte ein ähnliches Schicksal drohen wie schon den einstigen Fraktionen der DVU in Bremen und Schleswig-Holstein. Der vom Münchner Zeitungsverleger Gerhard Frey (National-Zeitung, Deutsche Wochen-Zeitung) geleiteten Partei war es in der Vergangenheit nicht gelungen, Fraktionen über eine Legislaturperiode zusammenzuhalten. Sowohl in Bremen als auch in Schleswig-Holstein kam es zu Abspaltungen und Parteiwechseln zur "Deutschen Liga für Volk und Heimat".

Gegenüber der Presse erklärte die DVU am vergangenen Montag, sie habe gegen die Landtagsabgeordneten Torsten Miksch und Jörg Büchner ein Parteiausschlußverfahren eingeleitet und die beiden aus der Fraktion ausgeschlossen. "Der DVU-Bundesvorstand ist zu der Überzeugung gelangt, daß der gegen Miksch erhobene Vorwurf der Tierquälerei ebenso zutrifft wie die Büchner vorgeworfene Tätigkeit als Stasi-Spitzel." Miksch wurde bereits beim Einzug in den Landtag vorgeworfen, er habe einen Hund gequält und ihn in einen Brunnen geworfen. Büchner wird vorgworfen, für die DDR-Staatssicherheit tätig gewesen zu sein. Zwei weitere Abgeordnete (Horst Montag und Werner Kolde) erklärten – offenbar solidarisch – ohne weitere Angabe von Gründen ihren Austritt aus der 16köpfigen DVU-Fraktion, die damit um ein Viertel geschrumpft ist.

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT erklärte der DVU-Fraktionsvorsitzende Helmut Wolf, man werde nach dem Ausschluß und Austritt der Abgeordneten zur "Tagesordnung übergehen". Die ausgeschlossenen Abgeordneten seien kein großer Verlust, sie seien "ohnehin keine Galionsfiguren" gewesen. Zu den beiden Abgeordneten Montag und Kolde halte er weiter Kontakt, das Band sei nicht völlig zerschnitten.

Wolf zieht gegenüber der JF eine positive Bilanz nach einem Jahr Fraktionsarbeit in Magdeburg: Von Spitzenpolitikern wie Petra Sitte (PDS) abgesehen, gäbe es mittlerweile normale Gesprächsbereitschaft, die Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen sei punktuell möglich. Wolf unterstrich, daß die DVU in Sachsen-Anhalt einen eigenen Weg gehe: "Was wollen wir hier mit westdeutscher Politik?" Die Leute im Land hätten mitbekommen, daß die DVU keine "Import-Abgeordneten" aus dem Westen habe. Zum Vorwurf der zentralen Lenkung der Partei aus München durch Gerhard Frey entgegnete Wolf, daß er "mit München" maximal ein- bis zweimal pro Monat telefoniere.

Die DVU hatte im April des vergangenen Jahres einen verblüffenden Wahlsieg erzielt und war mit 12,9 Prozent in den Magdeburger Landtag eingezogen. Die "Phantom-Partei" hatte es durch eine geschickte Werbekampagne des Verlegers Frey geschafft, sich innerhalb weniger Wochen bei den Wählern Sachsen-Anhalts bekannt zu machen. Demoskopen hatten den Stimmungsumschwung damals verschlafen.

Der Verlust von vier Abgeordneten bedeutet nicht nur eine Einbuße des Prestiges und des Rufes als "Saubermänner" des Landtages. Die Fraktion verliert künftig auch rund 16.500 Mark an Zuschüssen für die Arbeit.


 
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