© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Lebensschutz und Wirtschaft: Was Europa, die Dritte Welt und RU 468 verbindet
Wirtschaftliche Interessen überwiegen
Alexander Schmidt

In der Diskussion um die umstrittene Pille RU 468, die den problemlosen Schwangerschaftsabbruch möglich machen soll, geht es weniger um vorgeschobene Frauenfreundlichkeit als um wirtschaftliche Interessen und Bevölkerungsprojekte der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Im Gegensatz zu den konventionellen Kindstötungen dauert der Vorgang mit dem Hormonpräparat bis zu zwei Wochen. Lebensschützer befürchten, daß dadurch das "Post-Abortion-Syndrom" (PAS) unter den Frauen, die einen derartigen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben, stark ansteigen werde.

Frauen, die diesen Weg des Abbruchs wählten, berichteten im nachhinein, daß sie diese Art der Abtreibung nicht wieder wählen würden, weil die zwei Wochen, in denen sie mit ihrem sterbenden Kind allein waren, von großen Sorgen geprägt gewesen seien. Problematisch wird dieser Entschluß nicht nur durch den geringen Zeitraum, in der die Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung getroffen werden muß, sondern auch durch die während einer Schwangerschaft hormonell bedingte Unsicherheit der Frau und die Wirkungs- und Anwendungsweise der RU 486. Ist bei konventionellen Abtreibungen neben der Schwangeren auch ein Arzt an dem Abbruch beteiligt, liegt bei der Anwendung der "Mifégyne", so der Handelsname, der letzte Schritt bei der Schwangeren alleine. Diese Faktoren begünstigen das Auftreten des PAS. Nebenwirkungen sind bisher weitgehend unerforscht, weil neben dem eigentlichen Präparat Mifepriston ein Cocktail von Opiaten, Beruhigungsmitteln und anderen Hormonen beigefügt ist. Bisher bekannt sind vier Todesfälle, Übelkeit, Erbrechen, schwere Blutungen und starke Schmerzen. Ein krebshemmender Stoff, wie bisher von einigen Wissenschaftlern angenommen wurde, konnte nicht nachgewiesen werden. Ein Pharmakonzern brach seine Forschungen in diese Richtung ab.

Trotz dieser Mängel und des juristischen Problems, ein "Medikament" auf den Markt zu bringen, das ausschließlich dazu dient, Leben zu beenden, ist eine Einführung auf dem deutschen Markt nicht auszuschließen. In Schweden, Großbritannien und Frankreich wird "Mifégyne" bereits vertrieben; in Frankreich nur mit mäßigem Erfolg. Der französische Arzt und RU 486-Gegner Henri Lafont spricht davon, daß nur 15 Prozent aller Abtreibungen in Frankreich mit Mifégyne vorgenommen werden. Das entspricht einem Umsatz von 20 Millionen Francs. Sollte das Präparat auch in Deutschland erhältlich sein, hieße das kurzfristig Gewinne für die Firma Exelgyn, durch die Edouard Sakiz die RU 486 vertreibt.

Die Pläne reichen aber weiter. Wirklich gewinnträchtig ist der Einsatz der Abtreibungspille dort, wo chirurgische Schwangerschaftsabbrüche nur schwer möglich sind – in den Ländern der Dritten Welt. Der hessische Landtagsabgeordnete Roland Rösler vermutet, daß eine Erhöhung der Akzeptanz dieses Präparates in Ländern der Dritten Welt den Nachweis der Anwendung in den Industrieländern voraussetze. Es gehe also, so Rösler weiter, "nur um ‘Vorführmodelle’ für die angestrebte und in internationalen Übereinkommen festgelegte Ausweitung von (...) Bevölkerungsprogrammen in globalem Maßstab". Mit Hilfe der WHO könnte Exelgyn in den Entwicklungsländern als Quasimonopolist auftreten. Die Gewährung von Krediten der Weltbank und des IWF böte zusätzliche Sicherheit zur Durchsetzung des Zieles, "Möglichkeiten für sichere Abtreibung zu schaffen". Da die Rechte an dem Präparat bei Edouard Sakiz liegen, wird sich daran auf lange Sicht nichts ändern. Schon in den Jahren 1981 bis 1987 liefen unter der Schirmherrschaft von Roussel-Uclaf, dem einstigen Anbieter von RU 486, dem Bevölkerungsrat und der WHO Studien zur Abtreibungspille.

Seit der "Erklärung von Teheran" (1967) der UNO und anderer kooperierender Organisationen ist die Abtreibung ein Menschenrecht, das von der UNO eine ebenso gewissenhafte Durchsetzung fordert wie das Recht auf Leben, aber deutlich rentabler ist.


 
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