© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/99 26. Februar 1999


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Ohnmächtige Bayern
Karl Heinzen

Der FC Bayern München ist in dieser Saison drauf und dran, den Menschen nach den Debakeln der Nationalmannschaft auch noch den Ligafußball zu verleiden: Spätestens mit dem Rückrundenstart ist klar, daß die Tabelle nur auf den hinteren Plätzen offen bleibt. Doch der Genuß des Gebenden im fußballföderalen Finanzausgleich, es den Nehmenden endlich einmal nach Strich und Faden heimzuzahlen, dürfte kaum der Zweck der Hitzfeld-Siege sein. Eher handelt es sich um die ohnmächtige Verzweiflungstat eines Marktführers, der seine Macht entgegen aller ökonomischen Gewohnheit nicht dazu gebrauchen kann, die Konkurrenz schlicht zu verdrängen oder aufzukaufen. Man kann dieser zwar die besten Spieler wegverpflichten, aber es bleiben hartnäckig immer jene 17 Mitbewerber, gegen die man Woche für Woche auflaufen muß, obwohl das Ergebnis lediglich in der Höhe noch nicht feststeht. Das demoralisiert und desorientiert die Millionen in den Stadien und an den Bildschirmen – und so lassen sich denn auch kaum neue Kunden gewinnen: Wessen Herz für eine Firma schlägt, die immer wieder vom FC Bayern München vorgeführt wurde, wird immer verhärteter in seiner Abneigung gegen den Hegemon von der Isar. Es ist nahezu ausgeschlossen, daß er jemals in dessen Bettwäsche schlafen wird, im Scholl-Trikot eine Junior-Tüte kauft oder die Live-Übertragung der Weihnachtsfeier kostenpflichtig im FC-Bayern-Kanal verfolgt.

Die Sinnfrage des Fußballs ist also gestellt, oder besser: des Fußballs, wie wir ihn bislang kennen. Neue Wege müssen gefunden werden, um ihm neue Potentiale zu erschließen, um vielleicht auch jene 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung anzusprechen, denen er bislang noch nicht der oberste Lebenszweck ist. Dazu wird es nicht ausreichen, ihn zu europäisieren: Die Champions League war und ist nur eine Antwort des 20. Jahrhunderts, die einer überholten Philosophie folgt. Warum zum Beispiel die Monopolisierung des Spielbetriebs? Es wäre doch auch denkbar, jedem TV-Sender, der es sich leisten kann, seine eigene Euro-Liga zuzugestehen. So kämen nicht bloß acht oder zehn, sondern vielleicht 50 oder 100 deutsche Vereine in den Genuß des internationalen Geschäfts, und den Zuschauern bliebe die Entscheidung vorbehalten, welche Liga für sie von Fall zu Fall die Wahre ist.

Nicht das Gescshehen auf dem Rasen, sondern das, was sich i den Köpfen und Herzen der Menschen abspielt, entscheidet über Erfolg und Mißerfolg: Man wird also zu überlegen haben, ob man das Gescshehen in den Stadien nicht besser von dem im Fernsehen abkoppelt. Im digitalen TV könnte der Zuschauer ja nicht nur zwischen Kameraeinstellungen, sondern auch zwischen ganzen Spielverläufen und Ergebnissen wählen – im Prinzip hätte er die Möglichkeit, sich seine eigene Liga nach Lust und Laune zusammenzustellen. Damit ließe sich eine Fußball-Welt erschaffen, die keinen erfolgreichen FC Bayern kennt. Karl Heinzen


 
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