© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/99 26. Februar 1999


Helmut Dietl
Medien und Realität
von Werner Olles

Daß deutsche Kinofilme fast zwangsläufig auf Psychologie und damit entweder auf eine verlogene Konfliktlösung oder eine nicht minder verlogene Melodramatik hinauslaufen, hat Helmut Dietl schon früh gestört. Am 22. Juni 1944 in Bad Wiessee geboren, studierte er Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften. Dietl begann als Regieassistent und drehte 1973 seine erste TV-Serie: "Münchner Geschichten". Zehn Jahre später folgte der "Monaco Franze" mit dem unvergessenen Helmut Fischer in der Titelrolle jenes unnachahmlich-charmanten Schwindlers und unverbesserlichen Schürzenjägers; danach hatte Dietl es endgültig geschafft. Mit der glänzenden Real-Satire "Kir Royal" gelang ihm 1985 schließlich der Beweis, daß auch eine deutsche Fernsehserie sich nicht unbedingt auf das Discount-Niveau von RTL und Co. herablassen muß, um erfolgreich und unterhaltsam zu sein.

Mit "Schtonk!" drehte Dietl 1992 seinen ersten Kinofilm. Bereits mit dieser Verfilmung der haarsträubenden Geschichte um die gefälschten Hitler-Tagebücher drang er mit Witz in die labyrinthischen Strukturen der Medien ein. Trotz seiner ironischen Überzeichnung war "Schtonk!" eigentlich eine bestürzende Karikatur des medialen Overkills, sein an den gelinkten Stern erinnernder Expreß jedoch nur eine Metapher, die dem Realitätsverlust Gestalt verleiht.

Fünf Jahre später knüpfte der Regisseur, Produzent und Drehbuchautor mit "Rossini" an den Erfolg von "Kir Royal" an. Die Schilderung der Münchner Schickeria, die im Szene-Restaurant permanent um sich selbst kreist und vergeblich versucht, Ordnung in ihre Halluzinationen zu bringen, mag auf manche Zuschauer streckenweise wie eine leicht paranoide Verschwörungstheorie der Reichen und Schönen eines auf den Hund gekommenen Kulturbetriebs gewirkt haben. Aber vielleicht hat der kettenrauchende Dietl, der sich gern als aufgeklärter, ganz in Weiß gewandeter Dandy gibt, genau dies so gewollt.

Sein neuester Film "Late Show" war ursprünglich nur als Fernsehfilm geplant. Mit vielen Vorschußlorbeeren bedacht, läuft er seit Donnerstag auch im Kino. In dieser Medien-Satire um den fiktiven Kölner Privatsender Tele-C geht es einmal mehr um die Omnipräsenz des Mediums Fernsehen und besonders um die skurrile Welt der Talkshow. Dietls Film ist jedoch alles andere als eine virtuelle Münchhauseniade, denn in der Talkshow-Kultur wird der Zuschauer ein ums andere Mal genarrt, indem er eine Fälschung für Realität nimmt, die jedoch nur eine Fälschung ist, die sich dreist das Etikett "Realität" angeklebt hat. Dietl zeigt, daß es dabei um mehr geht als um Fernsehen: Es geht um Geld, Macht und Sex und um das Versprechen authentischen Erlebens. Indem der Regisseur launig über die hermetische Struktur dieses Mediums reflektiert, lernt der Zuschauer: Fernsehen ist eine Realität, und die Realität ist das Fernsehen.


 
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