© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/99 26. Februar 1999


Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Repräsentanz und Öffentlichkeitswirkung
Die Schätze bewußtmachen
Hans-Jörg von Jena

400 Millionen Mark beträgt der Etat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Haushaltsjahr 1999. Vierhundert Millionen! Eine gewaltige Summe im Vergleich mit anderen Kulturinstitu-tionen, von denen sonst keine einzige die Hundert-Millionen-Mark-Grenze überschreitet – und eine preußisch bescheidene im Hinblick auf ihre vielfältigen Aufgaben. Über die Vorhaben der Stiftung in der absehbaren Zukunft gab jetzt deren neuer Präsident Klaus-Dieter Lehmann kurz nach seinem Amtsantritt Auskunft.

Die Mittel der Stiftung teilen sich Bund und Länder in höchst ungleichem Maße; der Bund trägt den Löwenanteil, Berlin einen beträchtlichen, einige Länder sind mit eher kläglichen, fast nur symbolischen Beiträgen beteiligt. Darin spiegeln sich alte Vorbehalte gegen das alte Preußen und seine Hauptstadt.

Wenn sie jemals gerechtfertigt gewesen sein sollten: heute sind sie es längst nicht mehr. Preußen hat seine Schätze nicht mit ins Grab genommen. Sie gehören nicht Berlin, nicht einmal nur den Deutschen allein, sondern – ungeachtet juristischer Kriterien – der Menschheit. Ihre Zuordnung zur erlesenen Liste des Weltkulturerbes der Unesco steht denn auch für die Museumsinsel bevor. Sie hat die Logik für sich.

Die Museumsinsel wird ein, ja der Schwerpunkt der Aktivitäten der Stiftung in den nächsten Jahren sein. Schon deshalb, damit die Neurodnung der über Jahrhunderte gewachsenen und für Jahrzehnte getrennten Kunstschätze in einem überschaubaren Zeitraum zu Ende geführt werden kann. Instandsetzung und Umbau der Alten Nationalgalerie (und auch des reizvollen Wasserschlosses Köpenick) sollen Ende 2001 abgeschlossen sein. Beim Bode-Museum beginnt beides jetzt mit den, wie es heißt, "stark gefährdeten" Kuppeln: die Wiedereröffnung ist für 2004 terminiert. Die umstrittene Wiederherstellung des Neuen Museums, noch immer eine trostlose Ruine aus dem Zweiten Weltkrieg, erfolgt nun glücklicherweise doch unter dem Gesichtspunkt, den edlen Stüler-Bau auch im Innern so getreu wie möglich zu rekonstruieren: Architekt David Chipperfield setzt an seine Rückseite für die moderne Aufgaben der Besucherbetreuung und -führung ein ergänzendes Gebäude. Die Museumsinsel wird so, auch wenn die Gemäldegalerie im Neubau auf dem Kulturforum ihre Heimat gefunden hat, in wenigen Jahren wieder zum repräsentativen Zentrum der Kunstüberlieferung werden.

In Dahlem werden die Museen für Ostasiatische und für Indische Kunst bereits 2000 wiedereröffnet. Das Museum für Völkerkunde – die umfassendste ethnologische Sammlung Europas – hat nach dem Auszug von Gemäldegalerie, Skulpturensammlung und Kupferstichkabinett jetzt Platz, seine zum Teil seit Jahrzehnten im Magazin versteckten Bestände zu präsentieren. Ab September 1999 werden "200 Meisterwerke afrikanischer Kunst", ab November "Indianer Nordamerikas" die Aufmerksamkeit auf einst als "primitiv" verachtete Kulturen lenken. In der Planung ist zudem ein neues "Museum europäischer Kulturen", das vor allem Sammlungen der Volkskunde und Dokumente der Alltagsgeschichte dauerhaft zugänglich machen soll.

Ein weiterer Schwerpunkt der Stiftungsarbeit liegt in der Ordnung der gegenwärtig rund 9,4 Millionen Bände umfassenden Bibliotheksbestände, die Lehmann als bisherigem Direktor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main begreiflicherweise besonders am herzen liegt. Die örtliche Zweiteilung der Staatsbibliothek zwischen dem Ihne-Bau Unter den Linden und dem Scharoun-Bau am Kulturforum entspricht in der Sache der heutigen Doppelaufgabe der Einrichtung, historisches Forschungszentrum und wissenschaftliche Universalbibliothek zu sein. Durch vermehrte Lesesaalplätze soll die Benutzbarkeit erlkeichtert und erweitert werden. Das Gebäude Unter den Linden, eine Teil-Ruine, wird stufenweise saniert, ein modernes Informationssystem installiert. Zwischen 2000 und 2010 entsteht ein drittes Gebäude als Speicherbibliothek für weniger gefragte Bestände, da jährlich ein Zuwachs von 160.000 Neuerscheinungen unterzubringen ist.

Insgesamt werden von den Museen der Stiftung allein im laufenden Jahr 50 Ausstellungen veranstaltet; die Zahl der Besucher hat sich im vergangenen Jahr auf über 2,6 Millionen gesteigert. Die Stiftung hat also Anlaß zu Zuversicht. Hat sie auch Anlaß zur Klage? Verordnete Einsparungen treffen sie hart. Den genannten imposanten Zahlen des Etats steht gegenüber, daß Ausstellungen – bei denen ja erheblicher Konkurrenzdruck aus dem Ausland besteht – häufig nur noch mit Sponsorenmitteln realisiert werden können. Oder daß die Stiftung von 1992 bis heute 21 Prozent ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter verloren hat: eine eindrucksvoll düstere Zahl. Wenn der Spezialist für orientalische Numismatik in den Ruhestand tritt, fällt seine Stelle weg. Sein nächstbenachbarter Fachkollege sitzt in – Stockholm; auch dessen Stelle wird gestrichen. So sparen reiche Länder ganze Wissenschaftszweige kaputt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen