© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/99 26. Februar 1999


Wahlwerbung: Interview mit Christian Monzel, Agenturchef und Berater der "Grünen"
"Man braucht charismatische Köpfe"
Karl-Peter Gerigk

Was bringt ein Wahlplakat heute noch? Ist das nicht ein Werbemittel von gestern?

Monzel: Ein Wahlplakat ist Teil einer Strategie und des Kommunikationsmixes. Isoliert ist es kaum zu beurteilen. Wichtiger ist die gesamte Arbeit über die Medien. Dadurch steigt die Reichweite, und ein Plakat kann gegen eine solche Wirkung allein gar nichts ausmachen. Wahlplakate haben sicherlich innerhalb einer umfassenden Strategie ihre Berechtigung, denn sie können mit einer relativ großen Reichweite Inhalte gezielt kommunizieren. Es ist so gut möglich, die Essentials eines Programms den Wählern gezielt zu vermitteln.

Die SPD hat beim Wahlkampf 1998Politik inszeniert und vor allem auf Emotionen gesetzt. Ist das die richtige Strategie, Politik zu vemitteln?

Monzel: Ich denke, daß es dringend notwendig ist, in Zukunft auch über Emotionen Inhalte zu vermitteln bzw. einen Wahlkampf zu führen. Ich finde, daß der Wahlkampf der SPD wohl der professionellste war, den wir bislang in der Bundesrepublik Deutschland erlebt haben. Dies gilt sowohl für die Kampagne als auch für die Inszenierung der Medienereignisse. Die Medienberichterstattung ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Kommunikationstrategie einer Partei wie im allgemeinen für die politische Wahlwerbung. Dementsprechend muß man sich auch so verhalten, wie die Medien das heute gewohnt sind. Es ist eben so, daß heute eine Inszenierung notwendig ist, um überhaupt in der Medienberichterstattung zu erscheinen. Dies bedeutet, daß man auch von den Rezipienten in entsprechender Weise wahrgenommen werden kann.

Wird der Wähler hier nicht eher manipuliert als informiert und damit entmündigt?

Monzel: Sicher wird ein Rezipient, und hier der Wähler, immer auch ein stückweit durch die Werbung manipuliert. Sonst würde die Werbung keinen Sinn ergeben. Wahlwerbung ist auch keine reine Information. Man muß auch generell sagen, daß klassische Werbung keine Information ist. Sie spielt immer auch sehr stark mit emotionalen Komponenten. Dies hat seinen Grund darin, daß die Menschen in vielen Bereichen eben immer noch emotionell entscheiden und nicht nur anhand rein sachlicher Information. Auch die Verhaltensforscher sagen, daß 80 bis 90 Prozent der Entscheidungen immer noch emotional getroffen oder durch Gefühle stark beeinflußt werden. Entsprechend muß auch die Wahlwerbung sich dieser Mittel bedienen und das Instrumentarium gezielt anwenden.

Haben wir demnächst Wahlkämpfe wie in Amerika?

Monzel: Ich denke, es ist keine Amerikanisierung des Wahlkampfes, wenn man sich auf die Personen konzentriert. Wenn man sich die Ära Kohl und seine Wahlkämpfe innerhalb der letzten sechzehn Jahre vor Augen führt, war es doch eine sehr personalisierte Werbung. Das gleiche gilt auch für Willy Brandt oder für Hans- Dietrich Genscher innerhalb der FDP. Die Parteien in Deutschland haben immer schon auf die Spitzenkandidaten gesetzt. Daß ein Kanzler oder ein Kanzlerkandidat vermehrt in Szene gesetzt wird, hängt auch vom Wandel der Medien an sich ab. Das hat man sich allerdings nicht von Blair abgeschaut, und eine Amerikanisierung ist das auch nicht. Ich glaube, man braucht zuerst einmal einen charismatischen Kopf, den man in Szene setzen kann. Und hier hat die SPD mit Schröder jemanden gefunden der, im Gegensatz zu den Kandidaten vorher in der SPD, das mit sich machen läßt. Kohl hat es vor allem innerhalb seiner Partei verstanden, sich so zu positionieren, daß es ganz sinnvoll war, damit Wahlwerbung zu machen. Anders ist es zum Beispiel bei Bündnis 90/Grüne. Wir haben es hier bewußt umgekehrt gemacht. Es ergibt keinen Sinn, gegen einen Etat von 80 bis 100 Millionen, der auf Kandidaten ausgerichtet ist, mit fünf Millionen einen Spitzenkandidaten der Grünen zu vermitteln. Hier ist es wichtiger, die Konzepte zu vermitteln. Es ist für die Grünen von entscheidender Bedeutung, ihre Inhalte zu kommunizieren. Spitzenkandidaten spielen dann eine große Rolle, wenn es darum geht, Kanzlerkandidaten zu vermitteln. Auch im lokalen Bereich spielen Köpfe eine herausragende Rolle. Doch es läßt sich nicht pauschalisieren. Erst wenn Politiker ein bestimmtes Image und eine Bekanntheit haben, wird es sinnvoll, mit ihnen zu arbeiten, so wie mit Rezzo Schlauch, den man in Stuttgart nur Rezzo nennen muß – oder mit Joschka Fischer. Andererseits liegt in der Konzentration auf den Spitzenkandidaten auch eine Gefahr.

Bei Bundestagswahlen sind längerfristige Bindungen an Milieus oft ausschlaggebend. Kann Wahlwerbung nur die potentiellen Wechselwähler zielgerichtet erreichen?

Monzel: Ja. Wahlwerbung spricht vorwiegend potentielle Wechselwähler an. Der Anteil der Wechselwähler ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Innerhalb dieser Gruppe ist der Anteil der Wähler, die sich erst kurz vor der Wahl entscheiden wiederum sehr hoch. Den typischen Stammwähler der CDU kann man nicht dazu bewegen, die SPD zu wählen. Umgekehrt gilt das gleiche. Bei den Wählern der kleinen Parteien ist das ein wenig anders. Wir wissen aus Analysen, daß der Anteil der Stammwähler geringer ist. Sympathie und die Themen spielen hier eine besonders große Rolle, um neue Wähler zu gewinnen. Dies gilt für die FDP genauso. Durch das sich wandelnde Profil der FDP besteht hier das Problem, daß sich der Wähler nicht über Jahre hinweg im Besonderen an der Partei ausrichten kann.

Bei kleinen Parteien, verfolgen Sie eine konkrete Zielgruppenkommunikation. Wäre eine breit angelegte Strategie hier nicht erfolgsversprechender?

Monzel: Sieht man die großen Volksparteien hinsichtlich des Wahlkampfs 1998, dann gab es hier inhaltlich gar keinen großen Dissens. Versuchen kleinere Parteien nun auch noch Kosenspolitik zu betreiben, dann gehen sie unter. Kleinere Parteien müssen sich in irgendeiner Weise differenzieren gegenüber den Volksparteien, um überhaupt Wähler mobilisierenzu können. Vom mehr wirtschaftlich-kommunikativen Standpunkt aus gesehen besitzen die Grünen für ihre Wahlwerbung ein Budget von 2,5 Millionen DM. Damit können sie schlicht nicht in die Breite gehen. Der Etat würde in kürzester Zeit verpuffen. Dies gilt für die PDS und die FDP gleichermaßen mit ähnlich hohen Budgets. Wenn man mobilisieren will, muß man sich auf ein affines Zielpublikum konzentrieren, um in diesem Bereich etwas zu bewirken.

Und hier wird dann die klassische PR sinnvoller?

Monzel: PR ist für jede Partei notwendig. Schon vor dem Bundestagswahlkampf war klar: Die Auseinandersetzung zwischen den Parteien wird über die Medien geführt. Es war ein Wahlkampf, der schließlich auch über die Medien entschieden wurde. Es gab die Medien, und wegen des großen Interesses, ein hohes Maß an Information über die Inhalte, wie die Programme zum Beispiel. Eine gezielte Arbeit mit den Medien wird so fast wichtiger als die klassische Werbung.

Wie sieht zur Europawahl die beste Strategie für die Volksparteien aus, und was machen die Grünen?

Monzel: Die Volksparteien werden auf Medien setzen mit hoher Reichweite. Das heißt Fernsehen, Hörfunk und auflagenstarke Zeitungen, Plakate und Zeitschriften. Daneben wird es eine Medienarbeit geben, die sich an Ereignissen, Parteitagen, Kundgebungen u.a. Events orientieren wird. Die Grünen haben einen Minietat von einer Million für alle Werbemaßnahmen. Für die Medien bleiben vielleicht noch 500.000 DM übrig. Dies bedeutet, wir müssen uns auch hier wieder an Zielgruppenmedien orientieren. Das kann nicht die auflagenstarke Publikumszeitschrift sein, da sie einfach zu teuer ist. Wir müssen Medien belegen, wo wir unsere Klientel mit einer hohen Kosteneffizienz erreichen. So können wir auch das Potential für eine kleine Partei optimal ausschöpfen.

 

Christian Monzel, Diplom-Kaufmann, ist Geschäftsführer der Schirner Werbeagentur in Düsseldorf und Direktor für den Etat der "Grünen".


 
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