© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


Verräterische Peanuts
von Michael Oelmann

Deutsche Politiker schaffen es mit Regelmäßigkeit, das verdrießliche Gefühl im Volke, sie handelten aus Eigennutz, mit harten Fakten und tollen Fauxpas zu unterstüzten. Die Dreistigkeit, mit der seitens der berufspolitischen Klasse bei Fragen wie den Abgeordnetendiäten, der Posten- und Ämterschieberei oder der Parteienfinanzierung agiert wird, läßt selbst abgebrühte Beobachter immer wieder verwundert die Augen reiben.

Da setzt der Bundestag eine Kommission unabhängiger Gutachter ein, um über eine Anpassung (meint natürlich: Erhöhung) der Parteinfinanzierung durch den Staat zu beraten. Das Ergebnis liest sich ehedem nicht schlecht: 14,49 Millionen Mark mehr, so die Gutachter, seien angesichts der allgemeinen Preissteigerung vertretbar. Da man seitens der Abgeordneten offensichtlich lieber mit glatten Zahlen agiert, und überhaupt dieser Betrag angesichts der 245 Millionen Gesamtfinanzierung wohl eher Peanuts sind, macht der Bundestag aus der 14,49-Millionen-Erhöhung flugs 15 Millionen. "Nur" eine halbe Million aufgerundet, kein Grund zur Aufregung? Mitnichten. Die dreiste Selbstbedienung steht eher symbolisch für die Art und Weise des Umgangs mit Steuergeldern in weiten Teilen von Bürokratie und Politik. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme, die im Land herrschen, gewinnt diese Mentalität besondere Schärfe. Gesehen hat dies auch der Bundespräsident, der seinem Unmut in einem Brief an Bundestagspräsidenten Thierse Ausdruck verleiht. Ebenso übrigens wie bereits zuvor die Vorsitzende der Gutachter-Kommission, Helga von Wedel.

Herzogs Protest ist im Prinzip löblich: Es geht nicht nur um eine halbe Million, es geht um den guten Ruf unserer Demokratie, der von berufspolitischen Selbstbedienern stetig aufs Spiel gesetzt wird. So, wie für manche "der Strom aus der Steckdose kommt", scheint für viele Politiker das Steuergeld in der Bundestagskantine gebacken zu werden. Dieses Denken, daß sich bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen im allgemeinen zeigt, liegt wohl auch daran, daß die meisten Politker immer oder die meiste Zeit ihres Lebens vom Staat gelebt haben. Doch mit einer kleinen Taschengeldkürzung ist es nicht getan. Wenn Herzog nur jenen Zuschlag von 500.000 Mark rügt, lenkt er gleichzeitig davon ab, daß das System der Finanzierung von Politikern, Parteien und ihren Stiftungen insgesamt auf den Prüfstand gehört. Das ist es, was wir vom Bundespräsidenten hören wollen: "Es muß ein Ruck durch die politische Klasse gehen."


 
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