© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/99 12. März 1999


Helmpflicht für Scharping
von Dieter Stein

Vor wenigen Jahren erlitt der leidenschaftliche Radfahrer Rudolf Scharping einen schweren Sturz und trug Kopfverletzungen davon. Seitdem trägt er den sarkastischen Spitznamen Rudolf "Fahrradhelm" Scharping. Mit diesem Fahrradhelm posierte der patente und meist gutgelaunte Pfälzer später, auch auf Wahlkampfplakaten, übetrieben oft, um zu zeigen: Seht her, aus Fehlern wird man klug. Will man beim Radfahren keinen auf den Deckel bekommen, sollte man sich die Birne mit einer knallbunten, ballonförmigen Schale verhüllen. Scharping ist also durchaus lernfähig und ein leuchtendes Vorbild im Straßenverkehr.

Fraglich ist jedoch, ob eine Spätfolge dieses Radunfalls oder jene Scharping zueigene intellektuelle Leichtfüßigkeit die Ursache war, die ihn dazu nötigte, Winston Churchill als Namensgeber für Bundeswehrkasernen ins Gespräch zu bringen. Viele neigen letzterer Annahme zu. In jedem Fall hat es der gescheiterte Kanzlerkandidat bestimmt gut gemeint ...

Man rühmt ja insgesamt an der Schröder-Regierung die ausgesprochene Lockerheit und Fröhlichkeit bei der Ausübung der Amtsgeschäfte. Beugten sich Helmut Kohls Minister noch unter der Last des Amtseides, so zeichnet die lustige Truppe Schröders eine heitere Gelassenheit aus, die ungemein ansteckend wirkt. So kann man auch beim Vorschlag des Bundeswehr-Oberkommandierenden Scharping nur in schallendes Gelächter ausbrechen und rufen: "Ja, warum eigentlich nicht?" Ja, warum, verdammt noch mal, nennen diese dämlichen Deutschen ihre Kasernen nicht nach dem prächtigen britischen Kriegspremier Winston Churchill? Schließlich ist er mit Arthur Harris Schöpfer der modernen Großstadtarchitektur Deutschlands ...

Einer, der Scharpings Späße nicht versteht, ist Ralph Giordano. Er nimmt den Verteidigungsminister ernst und begrüßt seinen Vorstoß. Von der Wehrmacht könne "nichts Traditionswürdiges übernommen werden". Giordano nimmt immerhin den militärischen Widerstand von seinem Urteil aus. So will Scharping auch den Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums, den Bendlerblock und ehemaligen Sitz des Oberkommandos der Wehrmacht, nach dem dort am 20. Juli 1944 erschossenen Claus Schenk Graf von Stauffenberg benennen. Löblich. Besser wäre es, wenn der Minister darauf hinwirken würde, daß die unwissenschaftliche Wehrmachtsausstellung keine öffentlichen Räume und keine Grußwörer von SPD-Politikern mehr bekäme. Im Begleitband zur Ausstellung wird der militärische Widerstand pauschal als verbrecherisch verdammt. Muß also auch der Name Stauffenberg aus dem Gedächtnis gelöscht werden?


 
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