© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/99 12. März 1999


Enteignungen: Unionspolitiker weisen neue Vorwürfe zurück
Empörung bei Kohl und Schäuble
Dieter Stein

Die von Günter Krause abgegebene eidesstattliche Versicherung zum Thema Bodenreform und Enteignungen 1945/49 (siehe JF 10/99) hat zu heftigen Erwiderungen von Unionspolitikern geführt. Auf einer Fraktionssitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag der vergangenen Woche erhielt dieses Thema ausführlich Raum. Vorausgegangen war die Pressekonferenz Günter Krauses in Hamburg, auf der der ehemalige Bundesverkehrsminister und DDR-Chefunterhändler der Darstellung der Regierung Kohl widersprach, Moskau habe die Anerkennung der Enteignungen in der Sowjetzone zur Bedingung für die Wiedervereinigung gemacht.

Auf der Fraktionssitzung meldete sich nun erstmals neben Fraktionschef Wolfgang Schäuble auch Altbundeskanzler Helmut Kohl zu Wort. Laut Süddeutscher Zeitung widersprach Kohl den Äußerungen Krauses heftig. Diese Aussagen seien der nicht taugliche Versuch, historisches Unrecht rückgängig zu machen, so laut SZ Helmut Kohl. Weiter soll der Kanzler geäußert haben, daß durch solche Äußerungen die Gefahr wachse, daß die Gräben zwischen Ost und West nicht überwunden würden. Kohl meinte, man habe damals unter "enormem Druck" Moskaus gestanden. Die Abgeordneten sollen dem Altkanzler für diese Aussagen starken Beifall gespendet haben.

Inzwischen hat der letzte DDR-Außenminister Markus Meckel ebenfalls den Krause-Äußerungen widersprochen. Der heutige SPD-Abgeordnete wirft Krause vor, nicht urteilen zu können, da er bei keiner der entscheidenden Verhandlungen dabei gewesen sei. Das Bodenreform-Problem sei Gegenstand der 2+4-Verhandlungen auf Außenminister-Ebene zwischen den USA, der Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich gewesen. "Wenn die Sowjetuniuon die Forderung Bodenreform nicht unterstützt hätte, sondern nur die DDR, dann wäre das doch gar nicht durchgekommen." So Meckel gegenüber der Welt am Sonntag. Weiter führt er eine Äußerung Schewardnadses in seiner Grundsatzrede auf der ersten 2+4-Konferenz an: "Deutschland darf natürlich die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen und Beschlüsse, die von den vier Mächten in den Besatzungszonen angenommen wurden, nicht revidieren oder in Frage stellen."

Heiko Peters, Sprecher der Enteignungsopfer, erklärte daraufhin, daß die wichtigsten Beteiligten der 2+4-Verhandlungen, Gorbatschow, Schewardnadse, Genscher, Bush, längst der Darstellung der Bundesregierung widersprochen hätten.

So hatte Gorbatschow am 1. März 1998 in Berlin bekräftigt: "Das Thema Restitution des enteigneten Besitzes wurde auf der höchsten Führungsebene niemals angesprochen." Die Behauptung, die Sowjetunion habe das Verbot der Rückübereignung enteigneten Besitzes zur Bedingung für die Wiedervereinigung gemacht, bezeichnete Gorbatschow als "absurd".

Schewardnadse hatte 1994 in einem Spiegel-TV-Interview ebenfalls erklärt, daß dieses Thema bei den Verhandlungen "nicht erörtet worden" sei. Schewardnadse: "Weder im Stab von Gorbatschow noch im Außenministerium kam diese Frage auf. Auf unserer Ebene, unter den Fachleuten, ist diese Frage jedenfalls nicht diskutiert worden. ... Vorbedingungen in Bezug auf die Wiedervereinigung haben wir nicht gestellt."

Der damalige Bonner Außenminister Genscher schrieb in seinen Erinnerungen, daß die Bundesregierung in dieser Frage frei entscheiden konnte. Aber: "An dieser Stelle konnten wir uns in der Koalition nicht durchsetzen ..." Mit anderen Worten: Führende Unionspolitiker hatten ein Interesse an der Anerkennung der Enteignung.


 
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