© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/99 19. März 1999


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Kampflos
Karl Heinzen

Es mag sein, daß Oskar Lafontaine die jüngste Bundestagswahl wenigstens indirekt mit- gewonnen hat – die Abstimmung an den Finanzmärkten hat er jedenfalls unzweideutig verloren. Sein Rücktritt machte sogar den Euro stark, davon konnte sein Amtsvorgänger nur träumen. Manch einer mag zum Schluß noch gut an ihm verdient haben, nur wenige Finanzminister können das von sich behaupten. Oskar Lafontaines Mangel an demokratischer Legitimation aber war durch bloßen Respekt vor dem Eigentum nicht zu kompensieren. Wer als Politiker die fortwährende Demütigung des Staates durch die Wirtschaft nicht erträgt, hat den Sinn der Bundesrepublik Deutschland nicht begriffen und seinen Beruf verfehlt. Oskar Lafontaine ist, was das betrifft, aber im Glück: Er ist alt genug, um nicht mehr umdenken zu müssen.

Was hat diejenigen, die etwas zu verlieren haben, so gegen ihn aufgebracht? Keineswegs hat Oskar Lafontaine behauptet, daß Eigentum Diebstahl ist, er hat es vermutlich nicht einmal gedacht. Die eigene, zur Schau gestellte Lebensführung vermittelte vielmehr den beruhigenden Eindruck, daß er stets sehr wohl um den untrennbaren Zusammenhang von Geld und Genuß wußte. Nicht einmal die Schlüsselindustrien und Banken wollte er sozialisieren, insofern stand ihm Margaret Thatcher tatsächlich näher als das sozialistische Erbe, das sie aus dem Weg räumte. Nein, Oskar Lafontaine hat sich lediglich erlaubt, dezent an die soziale Verpflichtung des Eigentums zu erinnern und die Leistungsfähigkeit als Prinzip der Besteuerung ins Gedächtnis zu rufen. Er glaubte, daß es in Bonn anders sein würde als im Saarland, daß irgendwo in dieser Republik der Staat doch schließlich in der Lage sein müßte, jenen berühmten Ordnungsrahmen aufzurichten, innerhalb dessen sich das wirtschaftliche Geschehen vollzöge. Wie schon lange kein Politiker mehr, ist er dem Glauben an die Soziale Marktwirtschaft aufgesessen. Die Wirklichkeit hat ihn in weniger als sechs Monaten eingeholt.

Oskar Lafontaine wäre diese Enttäuschung erspart geblieben, hätte er nur seiner eigenen Agitation etwas mehr Vertrauen geschenkt: In der Tat würde die Soziale Marktwirtschaft im globalen Wettbewerb ein Standortnachteil sein, deshalb ist sie Stück für Stück demontiert worden. Die Aufgabe der gewählten Politiker ist es, stellvertretend für die Lohnabhängigen als Bittsteller aufzutreten. Wer an der Arbeit anderer verdient, soll diese nicht nur schlechter entlohnen und unsicherer gestalten dürfen: Seine Marktmacht gebietet es, ihn als Wohltäter zu preisen.

Gleichwohl steht kein Klassenkampf auf der Tagesordnung, schließlich ist die Linke in der politischen Verantwortung. Ihre Aufgabe ist es, so viele Bündnispartner ins Boot der Shareholder zu holen, daß niemandem um die Zukunft ihres Wohlstandes bange sein muß. Die Zwei-Drittel-Gesellschaft ist durch die deutsche Einheit nur aufgehalten worden. Es liegt nun an Gerhard Schröder, sie zu erringen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen