© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/99 19. März 1999


Fritz Kuhn
Die grüne Allzweckwaffe
von Alexander Schmidt

Stimmen, die den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Fritz Kuhn, als möglichen Staatssekretär für Finanzen handelten, und damit auch die Leute von Lafontaine ersetzt sehen wollten, wurden durch den Widerruf des bekennenden Realpolitikers selbst schnell zum Verstummen gebracht, obwohl er ausgewiesener Finanz- und Wirtschaftsexperte seiner Partei ist, dessen Intellekt und analytischen Fähigkeiten auch von politischen Gegnern anerkannt werden. Immerhin findet sich im Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierungskoalition auch seine Handschrift.

Mitte der siebziger Jahre trat Kuhn den Jungsozialisten bei, verließ die Partei aber schon 1979 wegen ihrer Atompolitik und schloß sich während seines Studiums der Germanistik und Philosophie in Tübingen und München den Grünen an, bei denen er noch im selben Jahr in den Kreisvorstand gelangte. Heute gilt er als zunehmend Vordenker des südwestdeutschen Realoflügels der Grünen, der – schon einmal den Nationalökonom Schumpeter zitierend und nach pragmatischen Ansätzen in der Sozialpolitik suchend – seit dem Einzug der Grünen in den baden-württembergischen Landtag (1984) mit kurzen Unterbrechungen auf der Oppositionsbank sitzt.Gemeinsam mit Rezzo Schlauch und der größten Fraktion der Grünen, die jemals in Süddeutschland im Landtag saß, kämpft er heute für eine Verbesserung der schwierigen Arbeitsmarktsituation und eine Ökologisierung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg, um einen Modernisierungsprozeß ins Rollen zu bringen. In einer Welt, die sich immer schneller ändert, könne nicht mit alten Rezepten der Vergangenheit die Zukunft gesichert werden, so Kuhn. Dabei gerät auch schon einmal die "ökologische Steuerreform" in das Zentrum seiner Kritik, die für ihn keine "Wunderwaffe" darstellt. Vielmehr müßten Investitionen getätigt werden, die den Arbeitsmarkt belebten.

Auch parteiintern drängt er auf eine schnelle Erneuerung. Die bisherige Trennung von Amt und Mandat hält er für längst überkommen. Sachzwänge allein dürften aber nicht die eigentliche Politik bestimmen, denn "das ist für uns der Feind demokratischer Politik". Die Kulturpolitik trete immer mehr "auf der Stelle", bemängelt er. Auch müsse die Frauenpolitik weiter vorangebracht werden.Für Fritz Kuhn werden in Zukunft sicherlich einige Türen geöffnet werden, weniger jedoch zur Empore der Politik als in die Regieräume, in denen "Politik gemacht wird", denn seine kühl-intellektuelle Ausstrahlung ist weit weniger öffentlichkeitswirksam als der Bierzeltcharme eines Rezzo Schlauch, der auf Kuhns Vordenkerqualitäten angewiesen ist. Schon bald könnten die beiden die neue Doppelspitze der Grünen in Bonn bilden.


 
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