© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/99 19. März 1999


Filmbranche: Der Regisseur Elia Kazan soll Ehren-Oscar erhalten
Umstrittene Auszeichnung
Werner Olles

Die amerikanische Filmakademie will am 21. März den 89jährigen Regisseur Elia Kazan mit einem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk auszeichnen. Dagegen hat es bereits im Vorfeld massive Proteste gegeben. Kritiker der Ehrung werfen Kazan vor, er habe in der McCarthy-Ära Anfang der fünfziger Jahre elf Kollegen, darunter Drehbuchautoren, Schauspieler und Regisseure bei dem sogenannten "Untersuchungsausschuß für unamerikanische Aktivitäten" als Kommunisten angeschwärzt.

In der Tat hat Kazan dies auch niemals bestritten, sondern im Gegenteil sein damaliges Handeln als "patriotische Pflicht" bezeichnet. Nun plant ein "Komitee gegen das Schweigen" unter der Führung des betroffenen Drehbuchautors Bernard Gordon Zeitungsanzeigen und einen Protestmarsch anläßlich der Oscar-Preisverleihung an den Regisseur. Man will dazu aufrufen, Kazan demonstrativ den Beifall zu verweigern. Während die Filmakademie an ihrer Entscheidung festhält, betonte die Anwältin des Protest-Komitees, daß eine Entschuldigung Kazans bereits ausreichen würde, um die 1952 auf die Schwarze Liste gesetzten Künstler zu beruhigen. Genau dies ist aber wohl nicht zu erwarten.

Elia Kazan wurde am 7. September 1909 in Konstantinopel als Sohn des griechischen Teppichhändlers Kazanopoulos und einer Armenierin geboren. 1911 zog die Familie für ein Jahr nach Berlin, kehrte dann jedoch wieder in die Türkei zurück. Als vierjähriger kam er mit Eltern und Großeltern in die USA. Er studierte an der Yale Dramatic School und begann 1932 am Group Theatre in New York, wo er später auch Regie führte. In dieser Zeit trat Kazan in die Kommunistische Partei ein, verließ die KP aber bereits nach achtzehn Monaten wieder aus großer Enttäuschung.

Seine Hollywood-Karriere begann Anfang der vierziger Jahre. Zunächst spielte er selbst kleine Rollen, avancierte jedoch schon bald zu einem gefragten Regisseur. Der Western "Endlos ist die Prärie" wurde 1947 sein erster großer Erfolg. 1951 folgte "Endstation Sehnsucht", das er wenige Jahre zuvor am Broadway inszeniert hatte. Zu diesem Zweck holte er das gesamte Ensemble mit Marlon Brando an der Spitze nach Hollywood. Vivien Leigh, Karl Malden und Kim Hunter wurden für ihre Rollen mit Oscars ausgezeichnet. Ebenfalls 1951 drehte er – wiederum mit Marlon Brando in der Titelrolle – "Viva Zapata". Das Originalmanuskript stammte von John Steinbeck, der tief aus den schwarzen Mythen der Volksdichtung schöpfte, aber Kazan gelang es, durch den Rhythmus der Montage eine verlorengegangene Magie des amerikanischen Filmstils zu erneuern. Die Geschichte des mexikanischen Bauernrevolutionärs trug durch ihre konsequente politische Haltung einiges zur ideologischen Verwirrung bei. So lehnte Mexiko dieses pessimistische Portrait seines Nationalhelden rundweg ab und verbot den Film für immer.

1954 folgte "Die Faust im Nacken". Brando spielte den nicht besonders intelligenten Ex-Boxer Terry Malloy, dessen Bruder Charlie (Rod Steiger) die rechte Hand des korrupten Gewerkschaftsbosses Johnny Friendly (Lee J. Dobb) ist. Wie eine Krake hat sich diese mafiaähnliche Organisation über die Werften gelegt, beutet die Dockarbeiter aus und bestraft jeden, der sich dagegen auflehnt, mit dem Tode. Der Zuschauer erlebt große Schauspielerkunst; Kazan hat Brando unter Kontrolle, zäunt ihn aber nicht ein. Der exzellente Kameramann Boris Kaufmann fing die Atmosphäre des New Yorker Hafens mit impressionistischem Empfinden ein, im vagen Licht der Wintersonne wird die Häßlichkeit der dicht aneinandergedrängten schwarzen Häuser des Hafenviertels poetisch relativiert, die endlosen Reihen leerer Dächer und überquellender Mülltonnen begleiten Terry, als es zum Höhepunkt des Geschehens kommt. Ausgezeichnet mit sieben Oscars, gelang es Kazan mit dieser künstlerisch erarbeitenden Wirklichkeitsschilderung, das Gewissen der Verantwortlichen ausfzurütteln und für die Hafenarbeiter bessere Verhältnisse zu schaffen.

Eine neue Meisterleistung schuf der Regisseur mit der Verfilmung von John Steinbecks Roman "Jenseits von Eden" (1954). In einem abgewogenen Rhythmus dramatischer Spannung erzählte Kazan die in unsere Zeit übertragene, künstlerisch besonders geglückte Geschichte von Kain und Abel. Wie Brando war auch James Dean, der die Rolle des unverstandenen jungen Gal, der um die Liebe seiner vereinsamten Vaters kämpfte, mit großer Einfühlsamkeit spielte, eine Entdeckung Kazans aus dem von ihm und Lee Strasberg gegründeten Actors’ Studio. Aus ihm ging eine Reihe der besten amerikanischen Schauspieler hervor, wie Rod Steiger, Julie Harris, Montgomery Clift und Paul Newman.

Kazan wollte immer Geschichten über Amerika filmen, gleichzeitig war er jedoch der Schöpfer des Anti-Helden im amerikanischen Film. Dies war auch in "Baby Doll" (1956), "Ein Gesicht in der Menge" (1957) und "Wilder Strom" (1960) nicht anders. 1963 drehte er die poetische Story von der Überfahrt seines Großvaters in dieses Land: "Die Unbesiegbaren", die auch – dichterisch verklärt – seine eigene Lebensgeschichte ist. Noch einmal attackierte er dagegen mit "Das Arrangement" (1969) den American way of life scharf. Auch Kazans Bühnenaufführungen nach Stücken von Arthur Miller und Tennessee Williams wiesen eher in eine linke Richtung. So ist sein Verhalten in den frühen fünfziger Jahren wohl letztlic nur erklärbar vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und einer realen Angst vor der Unterwanderung des amerikanischen Kulturbetriebs durch die "fellow travellers" der radikalen Linken.

Dieser Typus des bürgerlich-intellektuellen Sympathisanten des Kommunismus brachte es zwar nicht über sich, Parteimitglied zu werden oder wurde von den Kadern der Organisation aus mancherlei Gründen abgelehnt, erhielt dafür aber in der Regel den Part des "nützlichen Idioten" zugewiesen, um auf die eine oder andere Weise der jeweiligen KP und dem Weltkommunismus auf die Sprünge zu helfen.

Das ist gewiß keine Entschuldigung für die antikommunistische Hysterie der McCarthy-Ära, aber vielleicht kann ja Elia Kazans Lebenswerk, für das er jetzt zu Recht geehrt wird, eine Art Entschuldigung für die damals Betroffenen darstellen.


 
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