© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


Interview: Wilhelm Hankel zur Steuerpolitik
Weniger Belastung
(JF)

Herr Professor Hankel, was bringen die aktuellen Steuerpläne der rot-grünen Regierung dem Steuerzahler?

Hankel: In erster Linie Verwirrung, Flucht der Wirtschaft ins Ausland und des kleinen Mannes in die Schwarzarbeit. Unter dem Strich führt dies zur zunehmenden Zurückhaltung bei den Investitionen. Eine Reform bietet man nicht in Tippelschritten an, sondern indem man sie in einem mal vorlegt.

Bringt die Steuerreform denn keine Entlastung für die Unternehmen?

Hankel: Die Wirtschaft weiß ja überhaupt noch nicht, wo sie entlastet wird. Sie kennt nur ihre Belastung in der Gestalt der ihr weggenommenen Steuervergünstigungen. Das führt zu einem Abwarten bei den langfristigen Investitionsplänen, denn das steuerliche Endergebnis ist ja nicht vor dem Jahr 2002 zu erwarten. In der Zwischenzeit wird es natürlich zu Plänen kommen, in steuerbegünstigte Nachbarländer auszuweichen, was sich angesichts der Währungsunion ja anbietet, … die Steueroasen beginnen ja schon in Luxemburg, Belgien und in den Niederlanden. Und viele kleine Leute werden natürlich in die Schwarzarbeit gehen. Die Schwarzarbeit wird sozusagen zum schweizer Nummernkonto des kleinen Mannes werden. Wie überhaupt die Schwarzarbeit bei uns der noch einzig wirklich boomende Sektor ist.

Wie beurteilen Sie das Gesamtkonzept der Regierung hinsichtlich ihrer Finanz- und Steuerpolitik?

Hankel: Es hat in Deutschland noch nie eine Regierung gegeben, die auf steuerpolitischem Gebiet so handwerklich geschludert hat, wie die jetzige. Das beginnt bei den Zahlen – man streitet sich über die Rechengrundlage der Gesetze bei Rückstellungen, bei Verlustrückträgen, bei Teilwertabschreibungen. Außerdem muß man befürchten, daß ein Großteil der vorgelegten Entwürfe gegen die Verfassung verstößt. Dies gilt insbesondere für die Ungleichbehandlung von Einkommen aus Unternehmen und freiberuflicher Tätigkeit oder die neuerliche Belastung der 630 DM Teilzeitarbeitsjobs ohne Gegenwert. All das wird dazu führen, daß diese Reform so nicht umgesetzt werden kann, und die Zurückhaltung bei den Investitionen fördert.

Ist die Reform zu kompliziert ?

Hankel: Sie ist ein Beschäftigungsprogramm für die Steuerberater. Das eigentliche Ziel der Steuerreform – nämlich die Lichtung des Steuerdschungels – wird nicht erreicht. Es werden zwar einige Vergünstigungen gestrichen – dafür kommen andere dazu. Die Steuersparabteilungen der großen Konzerne müssen wieder Nachtschichten einlegen.

Ist die Verteuerung von Energie und die Verbilligung von Arbeit wirklich gut für den Arbeitsmarkt?

Hankel: Es ist nie sinnvoll, eine Entlastung mit einer Belastung zu finanzieren. Trotz Steuersenkung für die Niedrigeinkommen werden vor allem die Haushalte durch die Ökosteuer auf Strom, Gas, Wasser und Benzin wieder belastet. Dadurch steigen die Wohnnebenkosten. Das kann nicht besonders gut sein.

Ist eine Mehrwertsteuererhöhung zum jetzigen Zeitpunkt für die Anregung der Nachfrage und die ökonomische Entwicklung in Deutschland sinnvoll?

Hankel: Im Gesamtkontext einer vernüftigen Steuerreform wäre die Mehrwertsteuererhöhung schon sinnvoll, wenn eine drastische Reduzierung der direkten Steuern, nämlich der Lohn- und Einkommensteuer ins Auge gefaßt würde. Es müßte ein Mehrwertsteuerkonzept sein, wie es in der gesamten EU gehandhabt wird, nämlich auf Grundlage differenzierter Sätze anstelle eines Einheitssatzes. Es macht ja keinen Sinn, Familien und geringe Einkommen über das Kindergeld zu entlasten, aber dann durch die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wieder zu belasten. Grundsätzlich müßte das "Prinzip Wohnraum" für alle Bereiche des familiären Lebens ausgedehnt werden. Wohnraum wird ja auch nicht durch die Mehrwertsteuer belastet. Diese Freistellungen müßten für alle Güter des täglichen Lebens gelten: Für Babynahrung und Massenkonsumartikel. Eine Mehrwertsteuer auf hochwertige Konsum- und Luxusgüter führt zu keiner Wettbewerbsverzerrung, denn die anderen machen es ja genauso.

Was kann die Regierung tun, um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen?

Hankel: Es müßte eine Reform an Haupt und Gliedern vorgegelegt werden mit folgenden drei Essentials: Gleiche Besteuerung aller Einkommen, ob als Unternehmen oder andere Quelle in Form eines linearen Tarifes mit zwei, höchstens drei Eckwerten: 20, 25, 30 Prozent – je nach Einkommenhöhe. Sodann Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, das heißt, die Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden. Drittens: Die Steueraudsfälle werden durch eine differenzierte Mehrwertsteuer und Ökosteuer sowie Abbau von Subventionen ausgeglichen.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel, 67, war Chef der Hessischen Landesbank. Heute lehrt der Volkswirt an der Universität Frankfurt.


 
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