© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


Newroz: Kurden feiern in Hamburg ihr Neujahrsfest
Ein Volk kämpft für die Freiheit
Hanno Borchert

Während es zum traditionellen Newroz-Fest der Kurden in der Türkei zu schweren Zusammenstößen zwischen Kurden und türkischen Sicherheitskräften sowie zur Festnahme von rund 2.000 Personen kommt, darunter Mitglieder der prokurdischen Partei (Hadep) und Vertreter deutscher Menschenrechts- und Beobachterdelegationen, werden auch in Deutschland in vielen Städten angemeldete Newroz-Feiern verboten.

In Hamburg hingegen mögen es rund 8.000 Kurden sein, die in die Alsterdorfer Sporthalle gekommen sind, um das traditionelle Neujahrsfest zu feiern. Doch Newroz ist viel mehr als nur ein Neujahrsfest. Newroz ist zum Symbol des kurdischen Widerstandes gegen die Unterdrückung, die Kolonialisierung und Gewaltherrschaft des militärischen Unrechtsregimes der Türkei geworden, welches das kurdische Volk als "Bergtürken" verleugnet und nicht nur politisch aktive Kurden verfolgt, foltert und ermordet. Die Newrozfeuer symbolisieren das Streben des kurdischen Volkes nach Selbstbestimmung und Identitätsfindung.

"Die Emanzipation der Völker und Nationen war und ist ein Prozeß revolutionärer Dynamik", erklärt eine junge Kurdin, die seit acht Jahren im deutschen Exil lebt. "Der Befreiungskampf ist unsere einzige Perspektive gegen unsere Vernichtung. Wir stehen mit dem Rücken an der Wand."

Das Erleben des Newroz-Festes räumt jeden Zweifel darüber aus, daß ein Volk nicht Gegenstand kollektiver Identitätserfahrung sein kann. Alt und jung sind gekommen und die jüngsten Ereignisse wie die völkerrechtswidrige Entführung des Führers der kurdischen Abeiterpartei (PKK) Öcalan wie die Erschießung der vier Kurden im Berliner Generalkonsulat der Israelis haben die Bande zwischen den Menschen noch enger geschnürt. Auch den vielen Kindern ist die besondere Situation ins Gesicht geschrieben, und jeder Neun- oder Zehnjährige von ihnen identifiziert sich mit seinem Volk. Und so lassen auch sie sich begeistert vom zur Zeit beliebtesten kurdischen Volkssänger Shivan Perwer mitreißen, als dieser mit seiner Darbietung beginnt. Überall werden kleine Leuchtstäbe in den kurdischen Nationalfarben geschwenkt und zwischen den Reihen beginnen die jungen Leute ineinandergehakt rhythmisch zu tanzen. Die Halle ist jetzt ein brodelnder Kessel voller Emotionen, die sich immer wieder durch lautes Skandieren entladen: "Biji Öcalan, biji Kurdistan" (Es lebe Öcalan, es lebe Kurdistan).

Die anwesenden Deutschen kann man fast an zwei Händen abzählen, und von der einstmals so viel gelobten "internationalen Solidarität" aus dem linken Spektrum ist kaum etwas zu sehen. Die offensichtliche Abneigung gegen den Befreiungskampf der Kurden liegt wohl im Wesentlichen darin begründet, daß sie einen nationalen Befreiungskampf führen, der sowohl den Imperialisten als auch Linksdogmatikern zuwider ist.


 
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