© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


CD: John Mellenkamp
Unzeitgemäß
Holger Stürenburg

Ein bißchen unzufrieden wirken John "Cougar" Mellenkamps aktuelle Stellungnahmen in der Presse, die sich im Zuge der Veröffentlichung seines neuen Albums "John Mellenkamp" (Columbia/SONY) seit langer Zeit wieder mal für ihn interessiert, schon. In den Hitparaden, schimpft Mellenkamp, seien ausschließlich "schöne junge Mädchen" zu finden, die ihn jedoch nicht interessierten und vor allem verhinderten, daß Kassenfüller aus dem traditionellen Rock-Bereich die Spitzen der Hitlisten stürmen. Zwischen den süßen (aber musikalisch äußerst flachen) Mädchen wie Emilia, Princessa oder Britney Spears würde Mellenkamps klassischer Rock auf Folk- und Bluesbasis tatsächlich ein bißchen fehl am Platze wirken. Dabei ist John Mellenkamp um einiges anspruchsvoller als "Baby, one more Time" oder "Big, Big World".

"John Mellenkamp" bietet zwar (gottseidank !) nicht viel Neues, klingt aber verhalten-kraftvoll. Der depressive Eröffner "Fruit Trade" hätte durchaus schon 1983 erschienen sein können, und "Miss Missy" ist bester Rock’n’ Roll wie aus den späten 50ern. Mit "Eden ist Burning" und dem positiven "Your Life is now" gelingen Mellenkamp zwei Hymnen, die nicht nur seine Fans begeistern dürften. Seit 1987 hat sich Mellenkamp deutlich vom krachenden Stadionrock entfernt und baut seither immer wieder akustische Folk-Instrumente wie Akkordeon, Flöten und vor allem Violinen in seinen Gitarrenrock ein. Ein musikalisches Hobby, dem Mellenkamp auch zwölf Jahre später noch huldigt. Nur in "Break me some off" klingen leise Reminiszenzen an den musikalischen Zeitgeist durch, vor allem verursacht durch den Keyboarder Moe Z. MD, der Mellenkamp auch in Konzerten den Weg in schwarze Funk- und Rapsphären öffnet.

Um sich seinen deutschen Fans ins Gedächtnis zurückzurufen, kam Mellenkamp vergangenes Wochenende für zwei Clubkonzerte nach Deutschland. Im ausverkauften Münchener "Incognito" begeisterte er über 300 jubelnde Anhänger zwischen 25 und 45 vor allem jedoch mit altbekannten Hits zwischen "Jack & Diane", "Hurts so good", "Lonely all Night" oder "R.O.C.K in the U.S.A" bis hin zum 93er-Radiohit "Wild Nights" und seinem bislang unerreichten Kultsong "I fight Authority, Authority always wins". Diese krachenden Rocker wurden nicht nur von einem sichtlich verjüngten und etwas aggressiven Mellenkamp im Tempo angezogen, sondern klangen ausgesprochen frisch.

Weshalb der frühere Teeniestar (den "Cougar", den ihm geschäftstüchtige Produzenten Ende der 70er Jahre verordnet haben, legte er bereits Mitte der 80er ab und nannte sich fortan erst John Cougar-Mellenkamp und später nur noch John Mellenkamp) auf die Aufführung der durchweg gelungenen neuen CD fast gänzlich verzichtete, bleibt sein Geheimnis. Denn die neuen Rocker wie "Summer of Love" oder "Chance Meeting at the Tarantula", wie auch bereits erwähnte Hymnen "Eden is burning" oder "Your Life is now" fallen gegenüber dem alten Material überhaupt nicht ab, sondern zeigen, daß Mellenkamp seit Anfang der 80er gleichbleibend hohes Niveau bietet. So stellt sich das beruhigende Gefühl ein, daß seine Hits noch dann gehört werden, wenn zum Beispiel Bitney Spears nach einem "Vierteljahr Superstar" in der Abendschule ihr Abitur nachholt und andere Mädchen mit großer Oberweite und kleiner Stimme die vorderen Plätze in den Charts belegen.


 
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