© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/99 26. März 1999


Gordon Thomas: Die Mossad-Akte. Israels Geheimdienst und seine Schattenkrieger
Agenten des Kleinkrieges, nicht Spione
Burkhart Bethold

Die Welt der Geheimdienste ist voller Überraschungen – nur die Bücher über diese Welt ähneln sich. Im Allgemeinen stammen sie von Journalisten, die uns auf Schutzumschlägen treuherzig anblicken und versichern, nur sie könnten uns Informationen mitteilen, die so vertraulich wären, daß sie höchstens in einer Auflage von 50.000 unters Volk gebracht werden dürften. Was ihnen bei dieser durchaus lukrativen Arbeit zupaß kommt, ist, daß kaum ein Leser ihre Ausführungen überprüfen kann – und diejenigen, die es könnten, werden sich hüten, es zu tun.

Gordon Thomas macht hier keine Ausnahme. Er hangelt sich an einer Reihe von Fallbeispielen durch die fünf Jahrzehnte des israelischen Geheimdienstes Mossad. Da darf die Jagd auf Eichmann ebenso wenig fehlen wie die traurige Geschichte vom Meisterspion Eli Cohen, der in Damaskus vor laufenden Fernsehkameras gehenkt worden ist. Manch anderes läßt er aus: Die Affäre um das Schiff "Scheerberg" zum Beispiel, mit dem die Israelis sich ihr Uran besorgt haben, oder die peinliche Geschichte, als der frühere Ministerpräsident Schamir seinen eigenen Wissenschaftsminister Ezer Weizman mit Geheimdienstmaterial attackierte (wegen Weizmans PLO-Kontakten). Überhaupt nichts findet sich zu dem ominösen Absturz eines El Al-Jumbos in Amsterdam, über dessen tatsächliche Fracht die wildesten Gerüchte kursieren. Vielleicht sollte man es positiv sehen: Ein Dienst, der solche Katastrophen geheimhält, kann so schlecht nicht sein. Ein wenig erschwert wird die Lektüre durch den sensationistischen Aufbau des Buchs, das ausgerechnet mit Dodi und Lady Di beginnt: Thomas spekuliert über Verbindungen des Unglücksfahrers Henri Paul zum Mossad. Zwar erspart er uns die These, israelische Agenten hätten den Unglücks-Mercedes ferngesteuert, aber er suggeriert, die Mossad-Kontakte könnten den armen Teufel Paul so verwirrt haben, daß er sein Heil im Alkohol gesucht hätte. Das eröffnet Verschwörungstheoretikern ein ganz neues Betätigungsfeld.

Enthüllungsbücher verhalten sich zum Agenten-Roman wie "Aktenzeichen XY" zum Spionage-Krimi. Das gilt nicht zuletzt auch für die künstlerische Gestaltung des Ereignisses. Wer Gordon Thomas durch das Geflecht seiner Darstellung folgt, vermißt die ordnende Hand eines John Le Carré: Es ist schon schwierig genug, sich eine lange Reihe hebräischer Namen einzuprägen – ein deutlicher Vorzug des BND, wo die wahren Helden Meier, Müller, Huber heißen. Um seine Darstellung lebhafter zu gestalten, führt Thomas eine Reihe von dramatischen Szenen ein. Das liest sich spannend – wirft aber die Frage auf, wer bei diesen haarsträubenden Aktionen mitstenographiert habe. Was den Wert von Thomas‘ Buch ausmacht, ist die Schilderung einer Atmosphäre vollkommener Verkommenheit. Unabhängig davon, ob die Stories nun stimmen oder nicht, wirkt das Bild eines Geheimdienstes, der sich in einem permanenten Kriegszustand befindet und entsprechend vorgeht, auf unangenehme Weise glaubhaft. In dieser dunklen Welt gibt es weder Ehre noch Treue, sondern nur Zweckmäßigkeit – und Raum für Korruption. Hier trifft sich Thomas mit der Darstellung des Ex-Mossad-Agenten Victor Ostrovsky, der in zwei Büchern diese paranoide Sphäre beschreibt.

Interessant sind die Ausführungen, die Thomas den Aktivitäten des Mossad in Afrika widmet. Seinen Angaben nach liefern israelische Agenten sich hier einen regelrechten Krieg – und zwar erst mit den chinesischen Kollegen, dann, im Bündnis mit diesen und den Südafrikanern, gegen das KGB. Da ist es nicht ganz einfach zu folgen. Besondere Brisanz vor dem Hintergrund jüngster Ereignisse gewinnen Thomas‘ Bemerkungen zu den guten Beziehungen der Israelis zu den Kenianern. Von einer Zusammenarbeit mit türkischen Partnern findet sich dagegen nichts.

Gordon Thomas schreibt flott und mit wachem Sinn für malerische Details. Eine inhaltliche Stärke liegt in seiner Darstellung von Desinformations-Kampagnen des Mossad, der seinen Feinden alles in die Schuhe schiebt, was gerade so die Gemüter erregt. Die Schilderung solcher Finten wirkt vor allem deshalb glaubhaft, weil sie ein Maximum an politischem Nutzen mit einem Minimum an Drecksarbeit verbinden. Ob Thomas freilich gegenüber Erich Follath (Das Auge Davids, 1980) oder Raviv/Melman (Die Geschichte des Mossad, dt. 1992) eine qualitativ neue Sicht der Dinge eröffnet, bleibt fraglich.

Eines zeigt aber Gordon Thomas deutlich: Die Agenten des Mossad verstehen sich eher als Krieger denn als Spione; was sie treiben, ist weniger klassische Nachrichtengewinnung als low intensity warfare, Kleinkrieg. Seien wir froh, daß der BND andere Sorgen hat!

 

Gordon Thomas: Die Mossad-Akte. Israels Geheimdienst und seine Schattenkrieger, Lichtenberg-Verlag, München 1999, 400 Seiten, 39,80 Mark


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen