© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/99 02. April 1999


Interview: Alfred Mechtersheimer über die Grünen
Politik des Krieges
Gerhard Quast

Herr Dr. Mechtersheimer, Ludger Volmer schrieb dieser Tage: "Wenn verbrecherische Kräfte unsere Friedfertigkeit gegen unsere Menschlichkeit bewußt ausspielen wollen, kann für uns politische Pazifisten der Punkt erreicht sein, wo sich unsere Friedfertigkeit erschöpft hat." Was halten Sie als ehemaliger Bundestagsabgeordneter in der Fraktion der Grünen von dieser Position?

Mechtersheimer: Ich schlage vor, daß die grüne Fraktion sämtliche Spiegel verhängt. Ein solches Maß an Opportunismus hätte ich den Grünen nicht zugetraut. Das ist eine unvorstellbare Selbstentlarvung. Auffallend dabei ist, daß die härtesten Fundis, die ich von damals kenne, jetzt die größten NATO-Fans geworden sind. Offenkundig waren sie nie wirklich Grüne, sondern immer Internationalisten. Und das kommt nun zum Vorschein. Anders kann ich es mir nicht vorstellen, daß beispielsweise eine Angelika Beer, die immer gesagt hat "Waffen können keinen Frieden schaffen", eine solche – selbst für Militärs – zweifelhafte Aktion unterstützt. Das heißt, es verkehrt sich einiges: Die bisherigen amtlichen Pazifisten werden zu Kriegstreibern und diejenigen, die man für Militaristen gehalten hat, werden plötzlich zu nachdenklichen Zeitgenossen. Diejenigen, denen man es nie zugetraut hat, machen das, was man ihnen nie zugetraut hat. Deshalb ist es köstlich, wenn Gauweiler, Rühe und Wimmer tendentiell Positionen der alten Friedensbewegung vertreten und Gauweiler in einem Kommentar darauf hinweist, daß Joschka Fischer im Pflasterstrand schrieb: "Deutsche Helden müßte die Welt, tollwütigen Hunden gleich, einfach totschlagen." Im Moment produziert Fischer die Helden, die er 1982 totschlagen wollte.

Was ist aus der Gewaltfreiheit der Gründerzeit der Grünen geworden?

Mechtersheimer: Ich hatte immer Zweifel, ob die Gewaltfreiheit zur Essenz dieser machtgierigen Funktionsträger gehört. Diese waren nie pazifistische Überzeugungstäter. Sie haben das pazifistische Argument genauso als Tarnung benutzt wie das ökologische. Dahinter blieb immer der harte internationalistische Kern. Nun ist die Tarnkappe aus Umwelt und Frieden runtergefallen.

Könnte nicht genauso ein Bewußtseinswandel stattgefunden haben?

Mechtersheimer: Das glaube ich nicht. Sie sind durch die Macht korrumpiert. Joschka Fischer oder Volmer haben nicht das Zeug für das Amt, das sie ausfüllen. Deshalb können sie Prinzipien und Grundsätze nicht durchhalten, sie werden sich immer anpassen und dies mit einem rhetorischen Salto zu erklären versuchen.

Wenn die PDS die friedenspolitischen Positionen der Grünen übernimmt und der Umweltschutz vernachläßigt wird, welchen Sinn hat dann überhaupt noch grüne Politik?

Mechtersheimer: Das ist eine gute Frage! Die Grünen sind moralisch am Ende. Die Partei stellt nur noch eine Machthülle dar, aber die moralisch-politische Substanz ist mit diesem Krieg endgültig passé. Das ist ein ganz gravierender Einschnitt: Ein wichtiges und als innovativ verstandenes politisches Projekt wurde in Serbien zusammengebombt.

Viele Forderungen der Grünen aus den 80er Jahren wurden über Bord geworfen. War diese Entwicklung absehbar?

Mechtersheimer: Eigentlich ist es eine unglaubliche Lumperei, die betroffen macht. Der Grundfehler liegt sicher darin, daß ein Mann wie Joschka Fischer, der getrieben ist von Ehrgeiz und Karrieregeilheit, hätte sagen müssen, die Grünen können sich im außenpolitischen Bereich personell nicht einbringen. Denn in der Außenpolitik ist Deutschland eine amerikanische Kolonie. Auf diesem Feld gibt es keinen Bewegungsspielraum für eine grüne Außenpolitik, die wirklich grün sein will. Das ist nur durch einen radikalen Bruch zu schaffen.

Sie selbst haben auf den großen Friedenskundgebungen gesprochen. Sind Sie Ihren früheren Standpunkten treu geblieben?

Mechtersheimer: Ich muß nur wenig korrigieren. Das, was ich heute vertrete, ist kaum zu unterscheiden von dem, was ich bei der Demonstration am 10. Oktober 1981 gesagt habe. Das Erschreckende ist aber, daß man für konsequente Positionen wie "Keine fremden Truppen in Deutschland! Keine deutschen Truppen im Ausland!" heute von denen, die früher geklatscht haben, keinen Beifall mehr bekommt. Deshalb haben jetzt die patriotischen Kräfte die Aufgabe, diese friedenspolitischen Ziele offensiv zu vertreten.

Was empfinden Sie als ehemaliges Fraktionsmitglied der Grünen angesichts dieses Wandlungsprozesses?

Mechtersheimer: Ich sehe darin im nachhinein eine Bestätigung, daß ich nie Mitglied dieser Partei geworden bin. Das hängt damit zusammen, daß ich immer Zweifel an der Glaubwürdigkeit vieler Funktionäre gehabt habe. Im Grunde ist die grüne Partei eine Bande, die sich – unter Vortäuschung positiver Ziele – an die Macht geschlichen hat und die jetzt eine Politik des Krieges und des Angriffskrieges betreibt.


 
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