© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/99 02. April 1999


Sozialwahlen: Krankenkassen benachteiligen deutsche Versicherte
Mißbrauch von Beiträgen
Werner Olles

Im April finden in ganz Deutschland Sozialwahlen zu den Verwaltungsräten der gesetzlichen Krankenkassen statt. Es kandidieren u.a. verschiedene Gruppen aus Versichertenvertretern, DGB-Gewerkschaften und christlichen Arbeitnehmervertretungen. Noch im letzten Jahr wurde von Funktionären der Flüchtlingsorganisation "Pro Asyl" behauptet, daß Ausländer und vor allem Asylbewerber in Deutschland medizinisch schlechter versorgt würden als Deutsche. Diese vollkommen unzutreffende Behauptung stellte sich jedoch recht schnell als billige Polemik heraus. Tatsächlich ist nämlich das Gegenteil der Fall. Während Ärzte bei deutschen Kassenpatienten wegen der eingeführten Bewertungsmaßstäbe, Teilbudgets und vorgesehenen Punktzahlen zahlreiche Leistungen nur noch begrenzt abrechnen können, gelten diese Beschränkungen bei Sozialhilfeempfängern und Asylbewerbern gerade nicht.

Den Umfang bestimmt § 37 des Sozialhilfegesetzes, nach dem die Krankenhilfe für Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116, Absatz 1 des Grundgesetzes sind und die sich im Geltungsbereich dieses Grundgesetzes tatsächlich aufhalten, "ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arzneimitteln, Verbandsmitteln und Zahnersatz, Krankenhausbehandlung sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung der Krankheitsfolgen umfaßt".

Einen Katalog weiterer Leistungen der Sozialhilfe/Krankenhilfe enthält das am 1. Juli 1977 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch I bei den Paragraphen 28 und 29, in letzterem werden 29 Leistungen aufgeführt, die behinderten Asylbewerbern zustehen.

Nach dem Statistischen Jahrbuch von 1994 wurde Sozialhilfe als Krankenhilfe außerhalb von Einrichtungen an 577.000 Ausländer und 250.000 Deutsche gewährt, der Ausländeranteil in Deutschland betrug zu dieser Zeit acht Prozent.

Aufgrund spezieller Sozialversicherungsabkommen Deutschlands mit der Türkei, Marokko und Tunesien werden Familienangehörige von Türken, Marokkanern und Tunesiern, die zu Hause in diesen Ländern leben, sogar kostenlos bei der jeweiligen gesetzlichen deutschen Krankenkasse mitversichert, ganz gleich, ob der sich hier aufhaltende Ausländer in einem festen Arbeitsverhältnis steht, arbeitslos oder Empfänger von Sozialhilfe ist. Bei Türken richtet sich der Personenkreis der anspruchsberechtigten Angehörigen nach türkischem Recht und kann sich auf Kinder, Eltern, Geschwister und sonstige Verwandte erstrecken. Die türkische Krankenversicherung stellt der jeweils zuständigen deutschen Krankenkasse die Leistungen zur Erstattung in Rechnung. Dieser offensichtliche Mißbrauch mit unseren Krankenkassenbeiträgen wird auf Anfrage von den Ersatz- und Ortskrankenkassen ohne weiteres bestätigt, da alle gesetzlichen Krankenkassen von den deutsch-türkischen, deutsch- marokkanischen und deutsch-tunesischen Abkommen über Soziale Sicherheit von 1964 betroffen sind. Anfragen, für wieviele Personen und in welcher Höhe Leistungen im Rahmen dieser Abkommen erbracht wurden und werden, können die Kassen angeblich nicht beantworten und verweisen an das Gesundheitsministerium in Bonn.

Bei der Kostenexplosion in unserem Gesundheitswesen, den dauernd steigenden Beiträgen der gesetzlichen Krankenkassen und den gleichzeitig ständig sinkenden Leistungen, wäre es angesichts der kommenden Sozialwahlen vielleicht ganz vernünftig, die kandidierenden Gruppen und Personen zu fragen, wie sie solche Vereinbarungen zu Lasten der deutschen Krankenversicherten bewerten, und was sie zu tun gedenken, um diesen groben Mißbrauch möglichst bald zu beenden.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen