© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/99 02. April 1999


Umweltgesetzbuch: BUND legt Gesetzentwurf für Verbandsklagerecht vor
"Wir fordern Waffengleichheit"
Gerhard Quast

Nicht alle vollmundig angekündigten Pläne, die sich die neue Regierung auf die Fahnen geschrieben hat, stammen aus dem Arsenal der Rot-Grünen. Manches davon wurde bereits von der abgewählten Bundesregierung auf den Weg gebracht.

Zwar gibt es seit langem ein umfangreiches Umweltschutzrecht, in dem auch dem Kooperations-, Verursacher- und Vorsorgeprinzip Genüge getan wird, im Bereich der Umweltgesetzgebung herrscht aber immer noch ein großes Chaos. Ein Grund dafür ist die Tatsache, daß neben dem Umweltschutzrecht auch noch weitere Gesetze aus den siebziger und achtziger Jahren ihre Gültigkeit behalten haben, so zum Beispiel das Bundesimmissionsschutzgesetz, das Bundesnaturschutzgesetz und das Umweltstrafrecht. Mit Hilfe dieser Gesetze und weiterer Verordnungen wurde in den letzten Jahren Umweltpolitik betrieben. Diese verwirrende Vielfalt von Einzelgesetzen durch ein dem Bürgerlichen Gesetzbuch vergleichbares Umweltgesetzbuch (UGB) zu beseitigen, hatte sich bereits die christlich-liberale Regierung vorgenommen. Vor knapp zehn Jahren wurden dazu zwei unabhängige Sachverständigen-Kommissionen eingesetzt. Im vergangenen Jahr wollte die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) einen Entwurf vorlegen, der in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollte. Doch zur Umsetzung der ehrgeizigen Pläne sollte es nicht mehr kommen.

Das von der Kohl-Regierung auf den Weg gebrachte UGB liegt auch der neuen Regierung am Herzen. Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung heißt es dazu: "Das zersplitterte Umweltrecht wird in einem Umweltgesetzbuch zusammengeführt, um es effizienter und bürgernäher zu gestalten. Neben einer Reform des Ordnungsrechts werden dabei auch neue Instrumente der Umweltpolitik, wie wirtschaftliche Anreize und eine verstärkte Bürgerbeteiligung, einbezogen. Die Umweltverbände erhalten ein Verbandsklagerecht."

Letzteres gibt es zwar bereits in den jeweiligen Landesnaturgesetzen von zwölf Bundesländern – mit Ausnahme von Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern –, auf Bundesebene ist die Verbandsklage aber immer noch ein lange gehegter Traum vieler Umwelt- und Naturschutzorganisationen. Entsprechend aktiv wollen sie jetzt an der geplanten Harmonisierung, Erweiterung und Verschärfung des Umweltrechts mitwirken. Nach Gesprächen mit Vertretern der Bundesministerien für Justiz und Umwelt sowie mit Bundestagsabgeordneten der Regierungskoalition zeigten sich Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) jedoch enttäuscht. Die bisherigen Konzepte für das erste Buch des UGB gehen den Umweltschützern nicht weit genug. Die Ergebnisse seien zwar eine "gut brauchbare Grundlage", allerdings mit Mängeln in Teilbereichen, betonte die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt.

Deshalb erarbeiteten Juristen des BUND kurzerhand einen eigenen Entwurf eines Gesetzes über ein umfassendes Klagerecht für Bürger und Umweltverbände und übergaben diesen Anfang März Regierungsvertretern. Begründet wurde dieser Vorstoß damit, daß derzeit "nur die Umweltnutzer umfassende Klagebefugnisse gegen behördliche Entscheidungen" hätten, so der stellvertretende rechtspolitische Sprecher des BUND, Stefan Klinski. "Besorgten Bürgern und organisierten Umweltschützern ist es fast immer verwehrt, vor die Gerichte zu ziehen." Diese Schieflage sei ein wesentlicher Grund für das "allseits bejammerte Vollzugsdefizit". "Oft können die Behörden infolge der ungleichen Machtpositionen die Vorgaben der Umweltgesetze nicht durchsetzen", fügt Klinski hinzu. Der Gesetzentwurf des BUND sieht deshalb eine grundlegende Reform der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor. Außerdem machte der Verband Vorschläge, wie in einem künftigen UGB Genehmigungsbehörden das Recht eingeräumt werden könne, ein Vorhaben bei überwiegend negativen Umweltfolgen zu stoppen. Bei umweltbedeutsamen Anlagen müßten künftig bei der Genehmigung alle Umweltbelange geprüft werden. Das fordere im übrigen auch die EU-"Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung". "Bisher werden in Deutschland die Auswirkungen auf Luft und Wasser getrennt geprüft", beklagt BUND-Rechtsexperte Frank Schreiber. Hinzu komme, daß negativ ausfallende Umweltverträglichkeitsprüfungen noch lange nicht "das Aus für das Projekt" bedeuten. "Das ist absurd. Die Behörden müssen auf der umweltverträglichsten Variante eines Vorhabens bestehen und dieses stoppen können, wenn der Betreiber sich dem nicht anschließt", so Schreiber.

Als unverzichtbar für eine "juristische Waffengleichheit zwischen Umweltnutzern und -schützern", bezeichnen die beiden BUND-Juristen das Verbandsklagerecht. In den USA oder in Frankreich hätten die Vertreter von Umweltinteressen "viel bessere Karten. Wenn bei uns eine Behörde ein Kraftwerk mit unzulässig hohem Schadstoff-Ausstoß genehmigte, würde dagegen niemand klagen können – selbst Umweltverbände wären machtlos", unterstreicht Klinski. In einem neuen Paragraph 42a VwGO soll deshalb bestimmt werden, daß anerkannte Naturschutzverbände klagen können, wenn sie geltend machen, daß eine Umweltschutzvorschrift verletzt worden sei. Dieses Recht solle sich nicht auf den Naturschutz beschränken, sondern für den gesamten Umwelt- und Gesundheitsschutz gelten, so daß auch Verbraucherschutzverbände das Klagerecht in Anspruch nehmen könnten, verdeutlichte Klinski. Darüber hinaus soll ein neuer Paragraph 42 VwGO dafür Sorge tragen, daß für eine Klagebefugnis die Verletzung eines "rechtlich bedeutsamen Interesses" ausreiche. Es käme dann nicht mehr auf das Vorhandensein eines "subjektiven Rechts" an, etwa dadurch, daß mit einem Bauvorhaben eine Enteignung verbunden wäre.

Daß "die panische Angst vor einer Überlastung der Gerichte" unbegründet ist, zeigten Frankreich und die USA. Dort "schwoll nicht etwa eine Klageflut an, sondern es hat sich eine regelrechte Kultur der außergerichtlichen Einigung entwickelt", so Klinski. Den wichtigsten Effekt erweiterter Klagemöglichkeiten sieht er in der präventiven Wirkung: "Es wird erst gar nicht versucht, Umweltgesetze zu unterlaufen, weil sonst mit Klagen gerechnet werden müßte."


 
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