© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/99 09. April 1999


Gerd Schmückle
Unruhiger General
von Alexander Schmidt

Und wieder hat sich Gerd Schmückle um seinen Ruhestand gebracht, den er eigentlich noch nie hatte. Seit seinem Interview in der Woche stehe sein Telefon nicht mehr still, sagt der 81jährige Vier-Sterne-General a.D. aus München. In jeder freien Minute sitze er an der Schreibmaschine, um den Anfragen von Zeitungen nach Artikeln nachzukommen.

Ähnlich vielbeschäftigt war er schon zu seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr, die 1955 auf die Initiative von Graf Baudissin hin ihren Anfang nahm und ihn über das Verteidigungsministerium unter Strauß schließlich wegen seines diplomatischen Geschicks und politischen Gespürs bis zum zweiten Stellvertreter des Nato-Oberbefehlshabers führte. Dort stärkte die "feldgraue Eminenz" den Einfluß Deutschlands in der Nato. General Schmückle steht für die Atombewaffnung der Nato, den Doppelbeschluß und für die "Allgemeine Dienstpflicht" für Männer und Frauen, 1968 wurde er aber wegen seiner oftmals kritischen Kommentare zur 12. Panzerdivision versetzt, um ihn ruhigzustellen.

Statt dessen nutzte er die Zeit, um in einem "kritischen Gang durch die Kasernen" die Truppe unter die Lupe zu nehmen. Nach einer zweimal verlängerten Dienstzeit mittlerweile im Ruhestand, fragte sich der Träger des großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern (1973) und Schulterband (1976) dann im Hessischen Rundfunk: "Wie rechts ist die Bundeswehr?" Eine seiner Untersuchungen führte ihn zu dem Schluß, daß die Einrichtung von Elitekampftruppen problematisch sei. "Der Elitegedanke in einer Armee ist hochgefährlich", so Schmückle.

Seit seiner Pensionierung lebt er als freier Journalist und meldet sich in der Tagespolitik besonders zu militärischen Fragen zu Wort. War seiner Meinung nach der erste Golfkrieg "hervorragend geführt", kritisiert er die Nato-Einsätze in Serbien scharf. Man habe sich in einen Krieg gestürzt, ohne einen genauen Plan zu haben. Bodentruppen hält Schmückle für ein unkalkulierbares Risiko. Ohnehin habe sich über Nacht eine Änderung der Situation ergeben, in der einstige Friedensbewegte sagen: "Da müssen wir militärisch eingreifen." Seine Generation – Schmückle wurde im Zweiten Weltkrieg sechsmal an der Ostfront verwundet – habe den Krieg erlebt und stehe ihm entsprechend kritisch gegenüber. Ein Eingreifen werde in Serbien zu keinem Erfolg führen. Interventionen in Grenada, Somalia und andernorts hätten gezeigt, daß selbst mit hohem Aufwand wenig erreicht werden könne. Schmückle dagegen meint: "Nur wer sich durch eigene Kraft welcher Fesseln auch immer entledigt, kommt auf die Beine."

Selbst Bismarck habe gewußt, daß "befreite Völker anspruchsvoll und undankbar sind". Vermittlung statt Intervention sei die Aufgabe Europas. Eine Aufgabe, für die Schmückle Altbundeskanzler Helmut Kohl vorschlägt.


 
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