© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/99 09. April 1999


Rüstungsindustrie: Wenige Konzerne in Deutschland und Amerika machen mit dem Krieg Profite
Das Milliarden-Geschäft mit dem Tod
Karl-Peter Gerigk

Die größte Weltmacht ist auch führend in der Waffenindustrie. Von 1993 bis 1997 verkauften die USA Großwaffen im Wert von 53,1 Milliarden US-Dollar ins Ausland. Alle anderen Staaten liegen weit zurück.

Serbien wird bombardiert – und die Maschinerie, die das vollzieht, gehört zu dem Modernsten und Besten, was die Welt an Rüstungsgütern zu bieten hat. Eingesetzt wird der europäische Tornado, eine deutsch-britisch-italinenische Co-Produktion. Ebenso die Cruise Missiles, die mit topographischer Genauigkeit selbst ihr Ziel finden, und der Tarnkappenbomber F 117 – alles Produkte einer amerikanischen, besser nordatlantischen Rüstungsindustrie, die erst vor kurzem in den USA durch ihre Lobbyisten 100 Milliarden US-Dollar für die Ausstattung des Militärs vom Präsidenten loseisen konnte.

Dabei ist es in den USA in den 70er und 80er Jahren bis heute zu einer extremen Konzentration in der Industrie gekommen, wobei der sogenannte militärisch-industrielle Komplex eine Schlüsselstellung besitzt. Autoren wie Walter Adams konstatierten bereist in den 70er Jahren eine Politik, welche diese Industrie extrem privilegierte. Dies geschah und geschieht vor allem im Rahmen von Subventionen, durch Rüstungsaufträge, und Förderung von Forschung und Entwicklung in den militärisch-industriellen Randbereichen, durch Steuerprivilegierung, staatliche Vorratshaltung und Schutzzölle. Durch ihre Politik schafft die Regierung hierbei institutionalisierte Machtzentren, deren Bestreben es ist, sich der öffentlichen Kontrolle zu entziehen. Die 100 Milliarden US-Dollar, die für die nächsten Jahre gebilligt sind, werden eine enorme Nachfrage schaffen. Aus ökonomisch Sicht wird die Regierung zum Nachfragemonopolisten für militärische Güter. Doch gelingt es der Industrie in den letzten Jahren eben dadurch, die Regierung zum Handlanger ihrer Interessen zu machen. Es entwickelt sich eine Interessenverflechtung zwischen militärischer Industrie und politische Akteuren. Mit der Begründung, Sicherheit zu produzieren, werden enorme Summen für eine Industrie bewilligt, deren Konzerne in enger Verflechtung zu anderen Bereichen der Produktion stehen. Auf diese Weise wird über enorm überhöhte Forschungs- und Entwicklungskosten Kapital für die Entwicklung marktfähiger Produkte auch in anderen Segmenten gewonnen. Dies vor allem in den USA. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Regierung der USA bis in die 60er Jahre 65 Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsausgaben der amerikanischen Industrie finanziert. Davon entfallen 80 Prozent auf das Pentagon und die NASA.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es vor allem die Stahlindustrie, der es gelingt, enorme Subventionen zu erhalten und im Laufe der Jahre enge Konzern- und Personalverflechtungen mit High-Tech-Unternehmen zu knüpfen. So ist der Austausch von politischen und ökonomischen Eliten in der US-amerikanischen Wirtschaft üblich: Ein General wird schon mal Berater eines Rüstungsunternehmens und geht danach in die Politik.

Gewinner der Konflikte und auch des Krieges im Kosovo ist zumindest wirtschaftlich die amerikanische Industrie. Durch die Einsätze in aller Welt wird nicht nur die Notwendigkeit der hohen Ausgaben für das US-Militär begründet, sondern es wird die Produktion von Gütern angeregt, die militärischen Nutzen haben. Geld fließt auch in Sektoren der High-Tech-Forschung. Dies ergibt eine Reihe zivil nutzbaren Produkten. Mit dem Vorwand der Sicherheitsgewährleistung stärkt die USA somit die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Industrie für den Weltmarkt.

Deutschland ist dabei zwar mit von der Partie, doch die Rüstungsindustrie in Europa hat eine andere Struktur, Leistungsfähigkeit und Aufgabe. Erst seit 1956 wurde in Westdeutschland die Bundeswehr nennenswert aufgerüstet. Doch die Leistungsfähigkeit der deutschen Rüstungsindustrie ist begrenzt. Es wird in dieser Zeit im Ausland entwickelt und produziert. Noch Ende der 50er Jahre fließen 60 Prozent der Ausgaben ins Ausland. Aber erst mit Beginn der 60er Jahre wird auch von Krupp wieder produziert. Dennoch wird, statt die eigene Rüstungsindustrie zu stützen, wegen des technologischen Vorsprungs im Ausland geordert. Trotzdem ist die westdeutsche Panzerindustrie erfolgreich. Der Leopard I gilt als gelungenes deutsches Rüstungsprojekt und wird zum Exportschlager bis nach Australien. Das G3 – das Standardgewehr der Bundeswehr – wird von 50 Armeen weltweit eingesetzt. Anfang der 70er Jahre beginnt die Aufholjagd der Rüstungsindustrie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Hersteller schaffen es, den technologischen Vorsprung der USA einzuholen. Der Leopard II, nach Ansicht vieler Experten der beste Panzer der Welt, wird konstruiert. Die Firma Rheinmetall entwickelt eine Kanone mit Glattrohr. In Kooperation mit Großbritannien und Italien wird der MRCA Tornado gebaut. Zunehmend wird auch Elektronik in Deutschland selber entwickelt und hergestellt. Die Ausgaben für das Militär steigen.

Der Einzelplan 14 des Bundesministeriums für Verteidigung enthält eine genaue Auflistung der Einzelposten für die Militärausgaben. Anfang der 80er Jahre betrug dieser 43,8 Milliarden Mark und stieg zwischenzeitlich weit über die 50 Milliarden-Mark-Grenze. Wenn man die Beschäftigungswirkung eines Krieges für die Betreiberstaaten betrachtet, kann man von den Zahlen der momentan in diesem Industriezweig Beschäftigten ausgehen. Anfang der 80er Jahre waren dies 250.000 zum Teil hochqualifizierter Arbeitskräfte. Dabei sind verschiedene Konzerne gerade Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in Deutschland, nicht zuletzt Daimler Benz, in Sektoren expandiert, in denen – wenigstens bis zum Ende der Ost-West Konfrontation – mit sicheren Staatsaufträgen gerechnet werden konnte. Dennoch bleibt die staatliche Aufwendung für Forschung und Entwicklung, entgegen den Erwartungen der deutschen Industrie, relativ gering. Es sind im Jahr 1981 lediglich 1,4 Milliarden Mark, die für Wehrforschung und Entwicklung ausgegeben werden. Wesentlich weniger als erwartet und auch relativ weniger als in den USA. Die noch zu Zeiten der West-Ost Konfrontation geplanten Entwicklungen und Anschaffungen, die eines Kampfpanzers oder einer modernen Fregatte, werden nicht durchgeführt. Die Konzentration der größten Unternehmen in dem Bereich der Rüstungsindustrie in Deutschland ist zwar nicht so hoch wie in den USA, doch zeigt ihr Anteil am gesamten Rüstungsumsatz die Bedeutung der militärischen Produktion für die deutsche Industrie. So werden 1980 58 Prozent des Umsatzes der Rüstung von den 30 größten deutschen Unternehmen getätigt. Für die größten zehn sind es immerhin noch 37 Prozent. Das Kapital ist hierbei bei den größten Unternehmen auf viele Aktionäre verteilt, wie bei der AEG oder Siemens. Doch wird das Management wesentlich von Großbanken und Versicherungen gesteuert. Anders ist dies jedoch bei Kraus-Maffei, Rheinmetall, Röchling oder Thyssen. Rüstungsunternehmen, die in Familienbesitz sind, veröffentlichen in der Regel keine Umsatzzahlen. An vielen der 30 größten Rüstungsfirmen ist jedoch die öffentliche Hand beteiligt. Hiermit wird gezielte Regionalpolitik betrieben.

Ebenfalls aus den 80er Jahren stammt eine makabre Statistik, die Angaben darüber enthält, was die Tötung eines feindlichen Soldaten kostet. Waren es zur Zeit Cäsars noch 75 Cent, stieg der Preis für "das Leben" bzw. "den Tod" eines Soldaten zur Zeit Napoleons auf 3.000 Dollar und kostete im Ersten Weltkrieg 21.000 Dollar. Im Zweiten Weltkrieg war das Leben eines Soldaten 200.000 Dollar wert und im Vietnamkrieg über eine Million Dollar. Eine Milliarde Dollar schafft jedoch im Bereich Bildung und Erziehung rund 180.000 Arbeitsplätze. Ist Krieg wirtschaftlich sinnvoll – oder was kostet die Rettung eines Menschenlebens heute?


 
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