© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/99 09. April 1999


Zeitschriftenkritik: "Stämme"
Lehrreiche Völkerkunde
Werner Olles

Seit Ende 1998 erscheint nunmehr die Zeitschrift Stämme. Im Untertitel nennt sie sich "Magazin für Historische Stämme, Neue Stämme, Naturvölker, Gemeinschaften, Zwergstaaten, Unabhängigkeitsbewegungen". Man will sich mit den grundlegenden Seinsfragen des Menschen auseinandersetzen und ausführlich über seine kulturellen, spirituellen und seelischen Wurzeln berichten. Gleichzeitig soll aufgezeigt werden, wie die Stammeskulturen der Urvölker sukzessive zerstört wurden und weiterhin werden. So fragt die Zeitschrift sich und ihre Leser, ob es am Ende nicht der Stammesgedanke sein kann, der uns vor der völligen Vereinsamung und Sinnlosigkeit retten könnte. Stämme berichtet aber auch über moderne Stammesprojekte und Lebensgemeinschaften, zum Beispiel die Findhorn-Gemeinschaft, die im rauhen Gebiet des schottischen Nordlandes damit begann, einen neuen Stamm mit einer eigenen Kultur aufzubauen. Inzwischen ist diese Gemeinschaft zu einem Zuhause für über dreihundert Menschen geworden und damit zu einem Ort lebendiger Spiritualität mit unterschiedlichen Lebensauffasssungen, verschiedenen religiösen Anschauungen und einer eigenen Philosophie, die das Leben als eine Herausforderung und Chance verstehen, sich zu entwickeln.

In seiner ersten Ausgabe stellt Stämme die letzte deutschsprachige Monarchie vor: Liechtenstein. Der fürstliche Zwergstaat ist der einzige Staat in Europa, der über keinerlei Verschuldung zu klagen braucht, einen Höchststeuersatz von knapp achtzehn Prozent hat – bei uns sind es bis zu 56 Prozent – und das letzte deutschsprachige Land, das in geographisch unveränderter Gestalt und staatsrechtlich kontinuierlicher Form drei Epochen deutscher Verfassungsgeschichte überdauert hat. Diese Beständigkeit und die unerschütterliche Kontinuität seines Herrscherhauses schafften es, den Bogen zu schlagen zwischen einer fast sakralen Tradition und einem modernen Staat mit großer Integrationskraft.

Aufregend ist auch ein Bericht über die Auffindung eines 400.000 Jahre alten Lager- und Kultplatzes in Bilzingsleben in Thüringen. Anhand der seltenen Funde gelang es den Archäologen, das Stammesleben zu rekonstruieren und den Nachweis zu führen, daß der paläolithische Urmensch ein hohes Maß an geistigen Fähigkeiten und zudem eine hochentwickelte Sprache besaß.

Zahlreiche interessante Kurznachrichten und ein Plädoyer für die Freiheit der Papuas, die im unberührten Bergland von West-Papua seit Jahren einen verzweifelten Kampf um Unabhängigkeit und Autonomie gegen die hartleibige indonesische Zentralregierung führen, vervollständigen die Zeitschrift. Wer an solchen Themen interessiert ist, findet in Stämme spannende Anregungen und lernt Völker kennen, die es vielleicht in ein paar Jahren schon nicht mehr geben wird. Werner Olles

 

"Stämme" erscheint alle zwei Monate im Verlag Frey & Steinmetz, Floßergasse 3, 87629 Füssen. Das Einzelheft kostet 9,80 DM, das Jahresabo 56 DM.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen