© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/99 09. April 1999


Zitate

"Völker haben ein langes Gedächtnis. Und im deutschen Volk ist diese Erinnerung an die millionenfachen Flüchtlings- und Vetreibungsschicksale der Nazi-Gewaltherrschaft und ihrer Folgen sehr lebendig. Wir sehen das erneut an der aktuellen Spendenbereitschaft der Deutschen, um das Elend der Kosovo-Flüchtlinge zu lindern. Die Bundesregierung ist dankbar dafür. Aber nochmals: Wenn wir erneut Hunderttausende aufnehmen sollten und andere, selbst große EU-Länder nur gerade vier- oder fünfstellige Zahlen – ein solches Mißverhältnis würde keine Zustimmung mehr finden."

Otto Schily, Bundesinnenminister, in einem Interview mit dem Münchner "Focus" vom 3. April 1999

 

 

"Die Grünen befinden sich in der Falle der Moral. Moral ist unteilbar – das ist das eine Dilemma. Wer Menschenrecht zur außenpolitischen Richtschnur macht, darf seine Geltung nicht auf das nähere Umfeld begrenzen. Das andere: wer prinzipienfest friedfertig angetreten ist, braucht mehr, nicht weniger Argumente zum Umschwenken – und die müssen ebenfalls verallgemeinerungsfähig sein. Er braucht, mit anderen Worten, eine moralische Eindeutigkeit, die in militärischen Angelegenheiten nicht zu haben ist. Der Verdacht wächst, daß grünerseits die alte Verweigerungshaltung, als Friedfertigkeit getarnt, in eine neue Verabsolutierung moralischer Missionen umgeschlagen ist. Aus den besten Absichten, versteht sich. Aber die richten oft den größten Schaden an."

Cora Stephan, Publizistin in Frankfurt am Main, in der "Berliner Zeitung" vom 3./4. April 1999

 

 

"Die Beschreibung der ’humanitären Katastrophe‘, wie der widersinnige Ausdruck lautet, ist gewiß unentbehrlich, setzt auch die notwenigen Hilfsaktionen aus den reichen Ländern in Gang. Aber damit ist leider auch Anbiederung an die Rührseligkeit des Publikums verbunden oder sogar die Anheizung von Stimmungen, die in den Kolumnen mancher deutscher Gazetten an die Parole ’Serbien muß sterbien‘ aus dem Ersten Weltkrieg erinnern. Wer wagt noch zu sagen, daß, entgegen der Aussage von Rudolf Scharping, im Kosovo kein Völkermord stattfindet – man sollte Auschwitz nicht leichtfertig banalisieren –, sondern die Wiederholung jener grauenhaften Balkan-Kriege, die das 19. und das frühe 20. Jahrhundert heimsuchten. Da gibt es keine Guten und Bösen, sondern nur Starke und Schwache, und wehe den Schwachen auf dem Balkan. Am Rande vermerkt: Das stete Grinsen des britischen Nato-Sprechers irritiert mich dabei zutiefst."

Peter Scholl-Latour, Kriegsberichterstatter und Buchautor, in der "Welt" vom 1. April 1999

 

 

"Man fragt sich, was die Planer in Verteidigungsministerium William Cohens die ganze Zeit gemacht haben. Es muß unter ihnen serbische Spezialisten geben. Daß Milosevic ein Schurke ist, mag stimmen. Aber würde sein Nachfolger nicht binnen kürzester Zeit auch als Schurke ausgemacht? Machiavelli sagte schon: "Wenn du sicher bist, ein Übel nicht mehr vermeiden zu können, dann schiebe es nicht länger vor dir her." Dies aber hat Washington getan. Als Ultima ratio hätte ein – unpopulärer – Bodenkrieg von vornherein in die Planung mit einbezogen werden müssen. Hier haben sich die USA und ihre europäischen Verbündeten eines sträflichen Leichtsinns schuldig gemacht.Vor 60 Jahren lag Englands Stärke in seiner eisernen Entschlossenheit .... Solch ein Vorgehen hätten die USA aber ... mit den Europäern besprechen müssen".

Rudolf Augstein, im "Spiegel" vom 5. April 1999.


 
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