© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Kolumne
Gute Laune
von Hans-Helmuth Knütter

Wie würden Sie die gegenwärtige politische Lage in Deutschland kennzeichnen? Die CDU präsentierte kürzlich ein Plakat, auf dem Bundeskanzler Schröder mit einer Karnevalskappe zu sehen war. Das Bild war mit dem Witz verziert "mancher trägt die Narrenkappe 365 Tage". Na ja, so lange ist er noch gar nicht Kanzler, aber die Intensität der Narreteien ist daür allseits um so größer. Da war Lafontaine. Als es ihm nicht paßte, schmiß er den Krempel hin und spielte nicht mehr mit. Das ist kennzeichnend für den Wandel des Politikstils. Die heutige SPD ist eine andere Partei als die von August Bebel oder Erich Ollenhauer. Unmöglich, daß die so reagiert hätten. Aber – ist denn das eigentlich schlecht, die Politik nicht betonernst zu nehmen und lieber mal an sich selbst zu denken, statt sich ideologisch verbohrt aufzuopfern im Dienste einer Sache, die längst ins Rutschen gekommen ist?

Da ist Trittin. Der ist vielleicht innovativ! Ausgerechnet er, der nicht gerne an seine maoistische Vergangenheit im "Kommunistischen Bund" erinnert werden möchte, kommt mit der Idee nieder, die Grünen könnten es auch mal mit der CDU versuchen, da die SPD keine linke Partei und der CDU zum Verwechseln ähnlich sei. Alle wissen, daß dies nur eine Retourkutsche ist: Wenn die SPD die Grünen mit der FDP ängstigt und obendrein noch die PDS und sogar die Große Koalition als Option im Überraschungspaket hat, dann drohen die Grünen mal eben der SPD: "Hier stehen wir, aber wir können auch ganz anders!"

Die heutigen Politik-Funktionäre scheinen sich zu bemühen, der Politik den Ernst auszutreiben. Das Leben – ein immerwährender Karneval. Brot und Spiele fürs Volk und feine, einträgliche Posten für die Funktionäre. Die Politik vermeidet Taten und beschränkt sich auf Quasseln. Wie gesagt – warum nicht? Die Lage ist verzweifelt, aber nicht ernst. Und ein bißchen Narretei ist doch besser als Kampf und Krieg. Leider spielt die weltpolitische Lage nicht mit. In vielen Ländern wären die Menschen froh, wenn sie unsere Sorgen hätten. Aber dort herrschen Krieg und Bürgerkrieg, Verfolgung und Terror. Deren Probleme haben unsere Spaßpolitiker nach Deutschland importiert. Was soll man nur tun? Man könnte die Warnungen ernst nehmen und sich auf politische, soziale und ethnische Konflikte vorbereiten. Dann müßte man aufhören zu quasseln und handeln. Das aber könnte die gute Laune verderben. Deshalb: Genieße den Augenblick. Die Zukunft wird fürchterlich.

Politik im heutigen Deutschland heißt: Nur nichts ernst nehmen. Da bleibt die Hoffnung, künftige Generationen möchten der gegenwärtigen dieses Verhalten nicht als Blindheit, als wissentliches Verdrängen von Warnzeichen vorwerfen.


 
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