© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Kinderkrippen in der DDR: Steffen Heitmann widerspricht dem Kriminologen Pfeiffer
Erziehung verklärt dargestellt
Andreas M. Daniel

Der sächsische Justizminister Steffen Heitmann (CDU) hat der These des Kriminologen Christian Pfeiffer aus Hannover widersprochen, Ausländer in den neuen Bundesländern seien stärker gefährdet als in Westdeutschland. "Die Menschen im Osten sind nicht ausländerfeindlicher als im Westen", sagte Heitmann in Dresden. Er hält allerdings eine Debatte über die DDR-Krippenerziehung für notwendig, die nach Ansicht Pfeiffers für Feindbilder und Mitläufertum verantwortlich ist. Nach Auffassung von Heitmann ist es offenkundig, daß die Praxis, Kinder nach der Geburt von ihren Müttern zu trennen und in die Kinderkrippen zu geben, bei Heranwachsenden zu einer geringeren Bindungsfähigkeit geführt habe. "Pädagogen, die zu DDR-Zeiten tätig waren, haben diese Krippenerziehung oft verklärt dargestellt", so der frühere Oberkirchenrat der sächsischen Landeskirche.

Bereits früher hatte sich Heitmann zu den negativen Auswirkungen von Krippenerziehung geäußert. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur idea im Oktober vorigen Jahres erklärte er, ehemalige Krippenkinder seien häufig schlechtere Mütter und Väter als Familienkinder. Bei ihnen sei auch die Scheidungsrate höher. "Daß solche Selbstverständlichkeiten betont werden müssen und dafür Untersuchungen notwendig sind, kennzeichnet den Stellenwert der Familie in der veröffentlichten Meinung", erklärte Heitmann.

Ausländerfeindliche Straftaten führt der CDU-Politiker, der seit November 1990 Justizminister in Sachsen ist und seit 1994 auch dem Landtag angehört, indessen nicht auf die Gruppenerziehung, sondern auf gravierende Defizite in der Einstellung zur Demokratie zurück. Dies werde auch von rechtsextremistischer Seite ausgenutzt.

Die Thesen Christian Pfeiffers über den Zusammenhang von Krippenerziehung und Ausländerhaß haben zu einer heftigen Diskussion in den neuen Bundesländern geführt. Nach den Erkenntnissen des Kriminologen ist dort das Risiko für einen dunkelhäutigen Menschen, Opfer eines Überfalls zu werden, 35fach höher als im Westen. In Leipzig träten 55 Prozent aller Straftäter in Gruppen auf, in Stuttgart nur 20 Prozent. Wer in der Kindheit massiv davon geprägt gewesen sei, daß der einzelne nichts, die Gruppe alles sei, der neige auch später zum Mitläufertum, so Pfeiffer. In Leserbriefen und bei Podiumsdiskussionen wurde der Kriminologe dafür stark angegriffen. Seine Kritiker machen die hohe Arbeitslosigkeit und negative Einflüsse aus dem Westen für die Ausländerfeindlichkeit verantwortlich.


 
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