© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Die gespaltene Linke
von Werner Olles

Nichts hat die Linke seit der Wiedervereinigung 1989 in eine solch tiefe Krise gestürzt wie die deutsche Beteiligung an den Nato-Luftangriffen auf Rest-Jugoslawien. Noch während des Golfkrieges – der ja immerhin mehr als hunderttausend Irakis vom Leben zum Tod beförderte – konnte man sich im Raushängen weißer Lappen üben, auf Mahndemonstrationen verbissen für den Frieden schweigen, aus Protest hungerstreiken oder zumindest die hauptberuflichen Politkitschiers zur alternativen Verschnulzung der Widersprüche eintreten lassen. Doch das ist seit dem grandiosen Wahlsieg der rot-grün angehauchten Koalitionäre im letzten September alles längst Geschichte.

Heute regiert die Linke. Ausgerechnet in diesem Moment eskalierte jener leidige Konflikt im Kosovo und verdarb Schröder, Fischer und Co. die Sektlaune. Das war ärgerlich, aber offensichtlich nicht zu ändern. Die Möglichkeit, sich diesem Krieg vollständig zu verweigern, wurde augenscheinlich erst gar nicht in Betracht gezogen, weil die links beheimatete spezielle Gesinnungsethik Moral für Politik hält und im Zweifelsfall jene weit interpretierbaren Menschenrechte über das Völkerrecht, das Grundgesetz, die Nato-Statuten und die UN-Charta stellt.

Galt der Krieg – und nicht nur ein Angriffskrieg – der Linken bislang schlechthin als bourgeoises Greuel oder reaktionärer Imperialismus, erlebt das staunende Publikum nun – vor allem in Gestalt der Bündnisgrünen – eine Linke, deren politische Repräsentanten an ihrer Generallinie jedoch absolut keinen Zweifel lassen: Kein deutscher Sonderweg, wir bomben fleißig mit, und ganz nebenbei kann man ja auch ein paar Friedenspläne vorschlagen. Daß diese "Friedensinitiativen" das Papier nicht wert sind, daß es völlig illusorisch ist, noch an eine multiethnische Zukunft der Region zu glauben, die man jetzt offenbar mit Gewalt herbeibomben will, sagt einiges aus über die Realitätsferne und die Konzeptionslosigkeit der Regierungs-Linken aus.

Es ist sehr gut möglich, daß sich manch ein verwirrt-heimatloses Schäfchen jetzt ins marxistische Biotop der PDS verirrt. Immerhin treffen sich hier noch die strammen Interessen einer gut ausgebildeten Staats-Linken mit den konstitutionell wackeligen der fundamentalistischen Grünen, obwohl diese hier wohl nur wenig zu lachen haben dürften. Was aber letztlich bleiben wird von einer Linken, die – frei nach dem bewährten Motto "Wir wollen alles!" – technokratische Modernität und alternative Nestwärme unter einem Dach vereinen will, beantwortet uns Gottfried Benn: "Was bleibt, ist Resignation und ab und zu aufs Wasser schauen."


 
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