© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Kosovo-Konflikt: Peter Gauweiler über die ersten Kriegswochen und die Kritiker der Nato
"Milosevic nicht zusätzlich stärken
Karl-Peter Gerigk

Herr Dr. Gauweiler, Sie haben die Nato-Angriffe auf Ex-Jugoslawien kritisiert. Fühlen Sie sich durch den Verlauf der Einsätze in Ihren Bedenken bestätigt?

Gauweiler: Die Befürchtungen der Kritiker, von Henry Kissinger bis Helmut Schmidt, haben sich bestätigt. Eine Schwächung von Milosevic ist erkennbar nicht eingetreten. Die Bevölkerung hat sich im Gegenteil mit dem Regime solidarisiert.

Ministerpräsident Edmund Stoiber sprach nach seinem Besuch in Rußland von der Gefahr eines dritten Weltkrieges.Welche Rolle kann Rußland in diesem Konflikt nach Ihrer Auffassung noch spielen?

Gauweiler: Edmund Stoiber hat mit seiner Bewertung recht. Es ist gut, daß wenigstens er mit den russischen Führern gesprochen hat. Dies insbesondere nach der doch recht brüskierenden Behandlung des russischen Ministerpräsidenten Primakow in Bonn, bei dessen Besuch bei Gerhard Schröder. Unser Problem heißt ja nicht nur Kosovo. Unser Problem langfristiger Sicherheit dieser Generation und der nächsten ist die Frage, welchen Weg das demokratische Rußland in den nächsten Jahren einschlagen wird. Es ist unbedingt notwendig, Rußland bei allen Bemühungen um die Fragen der Konfliktregelungen auf dem Balkan einzubinden.

Halten Sie es für sinnvoll, Rußland in ein Konzept einer europäischen Friedensordnung eng miteinzubinden?

Gauweiler: Als Boris Jelzin vor dem Europäischen Parlament in Straßburg gesprochen hat, begrüßte Otto von Habsburg "die Heimkehr Rußlands nach Europa". Diese Rückkehr Rußlands und aller ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten in die europäische Schicksalsgemeinschaft hat die Geschichte vollzogen. Unsere Politik muß es sein, dies nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch in die politische Praxis umzusetzen.

Die "Woche" spricht davon, daß die Linke in Deutschland tot sei. Meinen Sie, daß sich die politischen Lager durch den Krieg im Kosovo neu formieren?

Gauweiler: Tot ist die grüne Partei als moralische Bewegung. Jetzt weiß jeder, was die 68er unter Prinzipien verstehen. Sie drängen auf Teufel komm raus in die Berufs-Politik, und wollen dann recht wichtig sein, immer der neuesten Mode nach. Gleichgültig, um welchen Inhalt es dabei geht. Es wird nicht allzulange dauern, bis die Grünen Atomkraftwerke bauen, wenn noch mehr Zeitgeist-Geister sagen, daß die Windräder nicht ausreichen.

Wird es künftig zu ähnlichen Problemen kommen wie mit den Kurden, wenn die Kosovo-Albaner in großer Zahl nach Deutschland kommen?

Gauweiler: Das ist offenkundig. Die Frage stellen, heißt sie beantworten.

Für Kritiker des Nato-Einsatzes unter US-Führung offenbart sich im Kosovo-Krieg die Handlungsschwäche der Europäer im Gegensatz zur Handlungsmacht der Amerikaner. Teilen Sie diese Meinung?

Gauweiler: Ich sehe keine Handlungsstärke der Amerikaner. Auch in den USA gibt es viele kritische Stimmen zum Kosovo-Krieg. Die Mehrheit des amerikanischen Kongresses ist hier kritisch eingestellt. Es ist auch nicht die Frage der Bevormundung Europas durch die USA. Richtig ist, daß amerikanische Fehlentscheidungen besonders schwer wiegen, weil die USA nun einmal unsere Führungsmacht sind.

Wird es denn auf absehbare Zeit so bleiben, daß die USA die Europäer führen?

Gauweiler: Da bin ich der Meinung Ihres Autors Karlheinz Weißmann. Bei allem Ärger mit den USA sind diese doch die denkbar mildeste Vormacht, der man folgen kann.

Wird die neuerliche deutsche Friedensinitiative von den USA unterstützt werden oder wird dies dort so gesehen, daß Deutschland versucht, auf Kosten anderer hier sein eigenes politisches Süppchen zu kochen?

Gauweiler: Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht so genau sagen. Man hätte sich schon in der Konferenz von Ramboulliet nicht unter Zugwang setzen sollen. Es ist müßig zu diskutieren, welche Motive die rot-grüne Regierung in Bonn geleitet haben. Wer ultimativ vorgeht, schneidet sich die Alternativen ab.

Wenn man keine Möglichkeit hat, sich zurückzuziehen, wäre da der Einsatz von hinreichend viel Bodentruppen nicht konsequent?

Gauweiler: Das ist die wesentliche Kritik an dem Einsatz aus der Luft. Krieg ist eben kein Nintendo-Spiel, das nur mit Fernsteuerung gewonnen werden kann. Nach der militärischen Logik folgen Luftangriffen Bodentruppen, und deshalb hat man sich mit dem ersten Schritt in die falsche Richtung begeben. Die Verluste, die mit dem Einsatz von Bodentruppen verbunden sind, müssen auch von den einzelnen Mitgliedstaaten der Nato getragen werden.

Sollte man die Luftangriffe einstellen?

Gauweiler: Es geht darum, dem Primat der Politik Rechnung zu tragen, und darum, daß man die Verstöße Milosevics nicht so ohne weiteres hinnehmen kann und ihn nicht zusätzlich stärkt. Die Deutschen wissen aus eigener Erfahrung, daß die Forderung nach bedingungloser Kapitulation einen Diktator nicht unbedingt schwächt, sondern zu neuer Rücksichtslosigkeit anspornt.

Es sollten nun die diplomatischen Kanäle verstärkt genutzt werden?

Gauweiler: Man sollte das tun, was notwendig ist. Dazu zählt, die moderaten albanischen Kräfte zu stärken, die auch bei den demokratischen Wahlen, die es gab, große Mehrheiten bekommen haben. Zweitens darf man nicht ein Groß-Serbien ablehnen und gleichzeitig ein Groß-Albanien befürworten, wie es die Propagandisten der UCK wollen. Drittens muß das Prinzip der Bindung und Einbindung in ein Balkan-"Commonwealth" auch die Einbindung der Serben einschließen. Das serbische Volk ist genausowenig unser Feind wie das albanische. Wir müssen auch die Stellung und den Einfluß der christlichen Kirchen in Serbien und auf den Balkan als Wert erkennen und nutzen. Die Verhältnisse im Kosovo verbessert man jedenfalls nicht dadurch, daß man Eisenbahnstrecken und Autobahnbrücken jugoslawischer Städte bombardiert.

Wie bewerten Sie die psychologische Wirkung der verwendeten Sprache gegenüber den Serben? Scharping spricht viel von den Mordtaten und dem Schlachten auf dem Balkan durch die Serben.

Gauweiler: Es ist schon merkwürdig, daß die schärfsten Formulierungen von den Leuten kommen, die noch vor der Sowjetunion auf dem Bauch gelegen haben. Was Rudolf Scharping betrifft, hat Rudolf Augstein im Spiegel das Erforderliche gesagt: "Ein Mann wie Scharping merkt vermutlich überhaupt nicht, daß hier Politik gemacht wird, um die Deutschen noch tiefer in den Krieg zu verstricken."

 

Dr. Peter Gauweiler 1949 in München geboren, studierte er nach dem Abitur Jura und promovierte 1978. Heute ist er als Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt tätig. 1968 trat er in die CSU ein. 1972 wurde er ehrenamtlicher und zehn Jahre später hauptamtlicher Stadtrat in München. 1986 ernannte ihn Franz Josef Strauß zum Staatssekretär im Innenministerium. Dem bayerischen Landtag gehört Gauweiler seit 1990 an. Von 1990 bis 1994 wirkte er als Landesumweltminister im Freistaat. Bis Januar dieses Jahres war er in München Bezirksvorsitzender der CSU.


 
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