© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Peter Scholl-Latour: Berichterstattung von allen Fronten
Journalist alter Schule
Werner Olles

Peter Scholl-Latour wurde am 9. März 1924 in Bochum als Sohn einer Arztfamilie geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging er für zwei Jahre als Fallschirmjäger nach Indochina. Nach seiner Rückkehr studierte er in Paris, Mainz und später auch in Beirut Politische Wissenschaften, Arabisch und Orientalistik und begann gleichzeitig seine journalistische Laufbahn mit einer Artikelserie in Le Monde  und einemm Volontariat bei der Saarbrücker Zeitung. 1954 promovierte er in Paris.

In den fünfziger Jahren wurde er vor allem als Zeitungskorrespondent und Rundfunkreporter, der von den Brennpunkten der Welt berichtete, einem größeren Publikum bekannt. Als das Fernsehen dann zum Massenmedium avancierte, war "Scholl auf Tour" – wie ihn neidische Kollegen nannten – als reisender politischer Korrespondent in Afrika, Vietnam, im Nahen und Mittleren Osten tätig. Aus dieser unruhigen und abenteuerlichen Zeit stammt auch sein journalistisches Credo: "Ich schildere nichts, was ich nicht selbst gesehen oder zumindest mittelbar erlebt habe!" Seinen beiden ersten Büchern "Matata am Kongo" (1961) und "Im Sog des Generals" (1966) war zwar kein größerer Erfolg beschieden, aber mit "Der Tod im Reisfeld" (1979) schrieb Scholl-Latour das mit einer einer Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren erfolgreichste deutschsprachige politische Buch seit 1945. Seitdem ist jeder seiner Titel – wie "Allah ist mit den Standhaften" (1983) oder "Mord am großen Fluß" (1986) – auf den internationalen Bestsellerlisten zu finden.

Seine Unbestechlichkeit und Distanziertheit, sein Kenntnisreichtum und seine Objektivität, vor allem aber die ideologische Unvoreingenommenheit, mit denen er an brisante Themen wie Entkolonialisierung, Volkskrieg oder Islamischer Fundamen-talismus herangeht, haben ihm nicht nur Freunde gemacht. In der von Kleingeistern und Ignoranten übervölkerten deutschen Medienlandschaft kann jemand wie Scholl-Latour, der noch den Unterschied zwischen Sympathie und Faszination kennt und zudem die unschätzbare Fähigkeit besitzt, sich auch in andere Geisteswelten als die mitteleuropäische Schönwetter-Demokratie zu versetzen, nur ein Außenseiter sein.

So scheiterte denn der Versuch, nach der Blamage mit den "Hitler-Tagebüchern" im Stern  eine politische Wende zu vollziehen. Auf Druck der linkslastigen Redaktion zog Gruner & Jahr zunächst die Berufung von Johannes Gross in die Chefredaktion zurück. Nachdem die Konflikte jedoch weiter eskalierten, wurde schließlich auch Scholl-Latour abberufen. Politische Vorbehalte und kollegiale Mißgunst, die Scholl-Latour seit seiner Zeit als Fernsehdirektor beim WDR nicht unbekannt sind, konnten ihn allerdings noch nie davon abbringen, gegen den Strom der herrschenden Meinung zu schwimmen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, liest man seine aktuellen Beiträge zum Kriegsgeschehen in Rest-Jugoslawien. Jenseits der einfallslosen Routine der Kriegs- und Hofberichterstattung ist hier die ungeheure Aktualität eines realistischen Politikbegriffs spürbar, der noch geopolitische Zusammenhänge zu deuten vermag und mit Einfühlungskraft und Niveau dem ubiquitären Zeitgeist-Journalismus erfolgreich Paroli bietet.


 
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