© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Berlin: Aktuelle Umfragen signalisieren Einzug der FDP ins Abgeordnetenhaus
Rechtsliberale auf dem Vormarsch
Markus Schleusener

Aktuelle Umfrageergebnisse sehen die Hauptstadt-Liberalen im Aufwind. Was der FDP-Parteivorsitzende Rolf-Peter Lange vor einem Jahr selbst nicht für möglich gehalten hatte, rückt wieder in greifbare Nähe: Das Comeback der Liberalen in der neuen Regierungsmetropole. Der Parteitag sei ein großer Erfolg gewesen, ließ Lange kürzlich die rund 3.000 Parteimitglieder in einem Rundschreiben wissen. In der Verkehrspolitik sagt die Partei den rot-grünen Konzepten, die seit 1990 auch von der CDU mitgetragen werden, den Kampf an. Gewerbesteuern sollen abgeschafft, Abgaben eingefroren und weitere Privatisierungen durchgeführt werden. Von Homo-Ehe und Doppelpaß, die früher zum Standardrepertoire der Liberalen gehörten, ist keine Rede mehr im Wahlprogramm. Lange: "Klare Positionen und Botschaften wurden formuliert."

Einigen liegen diese Botschaften schwer im Magen. So bemängelt der Vorsitzende der Jungen Liberalen, daß sogenannte liberale Inhalte nur unzureichend besetzt seien. Noch größeren Unmut der Parteilinken ruft allerdings die Nominierung der Kandidaten hervor, die durch Bezirkslisten erfolgt. 1995 hatte die Parteispitze eine Landesliste durchgesetzt, wodurch sämtliche Kandidaten des rechten Parteiflügels übergangen werden konnten. Diese Ausgrenzung des nationalliberalen Parteiflügels war nun nicht mehr durchzuhalten. Für den harten Kern der Parteilinken ist es "ein nicht wegzudiskutierender Skandal", wenn "Kandidaten vom rechtskonservativen Flügel ins Abgeordnetenhaus einziehen", so der JuLi-Vorsitzende Alexander Ritzmann in einer Presseerklärung. "Das ist nicht gerade ein sehr solidarisches Verhalten von Parteifreunden, wenn sie Kandidaten der eigenen Partei in der Öffentlichkeit als skandalträchtig bezeichnen", so die Reaktion eines Ortsvorsitzenden. Die Fronten in der Partei scheinen sich verkehrt zu haben. Heute sei es die unterlegene Linke, die gegen die Rechte schieße, meint einanderer Funktionär.

Und selbst mit Hilfe der Studenten vom "Projekt Absolute Mehrheit" (PAM), die seit einem Jahr die Partei zu kapern versuchen, ist es nicht so recht gelungen, die Partei in den nationalliberalen Bezirken "zu kippen". Nur bei der Wahl des Spitzenkandidaten im sozialen Brennpunkt-Bezirk Wedding konnte sich eine Koalition aus PAM und Parteilinken durchsetzen. Das Opfer hier: Ex-Senator Starnick, selbst ein Parteilinker.

In der vergangenen Woche scheiterte der vorerst letzte Versuch, dem Bezirksvorsitzenden Klaus Gröbig durch eine Kampfkandidatur den Spitzenplatz der Tempelhofer FDP streitig zu machen. Dieser sieht sich gestärkt durch das eindeutige Ergebnis: "Die Kandidatenliste ist diesmal ausgewogen und von fachlicher Kompetenz geprägt. Wir werden einen Wahlkampf aus einem Guß führen und gemeinsam die Ernte langjähriger Arbeit einfahren."

Auch andere Kandidaten aus rechten Bezirksverbänden werden beim Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde mit einem Abgeordnetenmandat belohnt: Herbert Lompe in Reinickendorf oder Axel Hahn in Neukölln. Dieser ist heute stellvertretender Landesvorsitzender und hat bereits von 1990 bis 1995 dem Abgeordnetenhaus angehört. Für den 39jährigen bietet das Ergebnis der Kandidatenaufstellung der Partei erstmals seit langem Gewähr dafür, "daß die FDP nicht wieder vor der Wahl rechts blinkt, um anschließend links abzubiegen. Das wird es nicht mehr geben."

Allesamt stehen die nationalliberalen Kandidaten für eine neue FDP, die sich am österreichischen Erfolgsmodell orientiert und nicht länger nationale Themen tabuisiert. Es gibt hier keinen, der nicht den Erfolg der CDU-Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft begrüßt hätte. Gestärkt sieht man sich auch durch die Rückkehr von Manfred Brunner, der dem Bund Freier Bürger den Rücken gekehrt hat. "Es gibt leider doch keine Alternative zu einem Engagement in der FDP", bekannte ein weiteres Führungsmitglied des BFB vor kurzem, das sich jetzt ebenfalls um seine Wiederaufnahme in der Berliner FDP bemüht.

Selbst in weniger aussichtsreichen Bezirken stehen zahlreiche rechtsliberale Kandidaten zur Wahl. Den kleinen Parteien kommt diesmal die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde für die Kommunalparlamente zugute. Dadurch dürfte die FDP wieder in den meisten Bezirksverordnetenversammlungen vertreten sein.


 
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