© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


CD: Klassik
Weltpremiere
Julia Poser

"Padre della musica" wurde der deutsche Komponist Johann Adolf Hasse in Italien bewundernd genannt. In Hamburg-Bergedorf am 25. März 1699 geboren, stand er schon mit 18 Jahren als Tenor auf der Hamburger Bühne und komponierte als 21jähriger seine erste Oper. Der junge Komponist kam jedoch zu der Einsicht, daß er in Italien, dem Mutterland der Oper, noch einer gründlichen Ausbildung bedürfe. Fast sieben Jahre studierte Hasse in Neapel bei Alessandro Scarletti und Nicola Porpora. Großen künstlerischen und persönlichen Erfolg brachte ihm dann 1730 die Aufführung von "Artaserse" in Venedig. Neben dem berühmten Kastraten Farinelli sang die gefeierte Sopranistin Faustina Bordoni, die Hasse noch im gleichen Jahr heiratete. Dresden-Reisende können in den Staatlichen Gemäldesammlungen das Portrait dieser schönen Sängerin bewundern.

August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, schätzte die barocke Oper und schöne Frauen und engagierte die Primadonna zusammen mit ihrem Mann an den sächsischen Hof. Mit der Oper "Cleofide" feierte das Paar Hasse/Bordoni 1731 in Dresden große Triumphe. Das Libretto zu "Cleofide" geht zurück auf Metastasio, den berühmtesten Textdichter seiner Epoche. Hasse, der mit ihm eng befreundet war, vertonte im Lauf seines langen Lebens fast 30 Opern nach dessen Texten. Charles Burney, ein zeitgenössischer englischer Musikwissenschaftler, urteilte über beide: "Hasse mag ohne Ungerechtigkeit seinen komponierenden Brüdern gegenüber (…) so überlegen gelten wie Metastasio allen anderen Bühnendichtern." Und über Hasses Musik schrieb Burney, daß er der "natürlichste, eleganteste und verständigste Komponist von Vokalmusik" sei.

Früher selbst Sänger, war für Hasse die menschliche Stimme das Wichtigste in der Oper. Er war der letzte große Meister der barocken Da capo- Arie, in der das Improvisationstalent des Sängers in Variationen, Koloraturpassagen und freigestalteten Kadenzen brillieren konnte. Trotz der weltweiten Berühmtheit spürte Hasse am Ende seines Lebens – er starb 1783 –, daß seine Zeit und die der Opera seria zu Ende sei. So sagte er 1771, als er den jungen Mozart hörte: "Dieser Knabe wird uns alle in den Schatten stellen."

Heute sind Hasses Opern leider fast vergessen. Um so dankenswerter ist es, daß die kleine, aber mit ausgewählten Werken hervortretende Firma Capriccio Hasses "Cleofide" als Weltpremiere eingespielt hat. Emma Kirkby als indische Königin Cleofide, eine "Assoluta" im barocken Gesang, entzückt mit ihrem reinen und klaren Sopran im zärtlichen Treueschwur ihrem eifersüchtigen Liebhaber Poro gegenüber: "Di gli ch’io sin fedele" (Sag ihm, daß ich treu bin). Poros Schwester Erissena wird von Agnes Mellon mit zauberhaft leichtem, hellen Sopran gesungen. Der amerikanische Altus Derek Lee Ragin, ein weltweit bewunderter Sänger, drückt seine Eifersucht auf Alexander den Großen in vielen stürmischen Arien aus. Dominique Visse, auch er ein beliebter Altus, bringt als edler großmütiger Alexander eine wunderbare Arie "Cervio al bosco" (Der Hirsch im Wald) mit Theorbenbegleitung. Mit David Cordier und Randall Wong in kleineren Partien wird diese "Cleofide" zu einem einzigartigen Erlebnis. William Christie leitet die Capella Coloniensis und den Chor der Rheinischen Kantorei Dormagen lebendig und mit frischem Tempo. Er läßt nach fast 300 Jahren die ganze Klangpracht Hasses wieder auferstehen.


 
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