© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Junge Union: CDU-Nachwuchs in NRW eröffnet Europawahlkampf
Politik als ordentlicher Beruf
Magnus Freitag

Statt großer Inszenierungen setzte die Junge Union bei ihrem Landestreffen in Nordrhein-Westfalen auf Inhalte und Neuorientierung. Nur wenige Plakate aus vergangenen Wahlkampfzeiten erinnerten die 330 Delegierten in der nüchternen Festhalle im sauerländischen Arnsberg an die Zeit vor dem 27. September vorigen Jahres, unter die am vergangenen Samstag ein nicht zu übersehender Schlußstrich gezogen werden sollte.

Unter dem Leitsatz "Hinsehen und Handeln" beriet sich die JU über Leitlinien künftiger Politik, damit verbunden auch über die CDU, die in NRW "nach dem Personalwechsel, vor dem Regierungswechsel" weilt. Die CDU will sich für die kommenden Wahlkampfwochen als moderne Partei zeigen, die wieder "mitten im Leben" ist. Ansätze waren bereits am Samstag bei dem Wahlkampfauftakt zur Europawahl erkennbar. Man hat der Bierzeltmusik abgeschworen, auf dem sonnenüberfluteten Marktplatz ließ Synthesizer-Musik die Delegierten und Gäste in Aufbruchstimmung mitwippen.

Und alle wußten wohin: in ein bürgernahes Europa, das vor dem Zugriff der Sozialisten verteidigt werden müsse. Es sei die Aufgabe der CDU-Kandidaten, so der angereiste Oliver Wittke auf die Europäische Kommission anspielend, daß die Politik wieder ein ordentlicher Beruf werde. In der Festhalle interessierte das Thema Europawahl nur am Rande, der Kosovo-Krieg brannte zu vielen unter den Nägeln. Landesvorstandsmitglied Markus Poesentrop betonte, daß es in dem Krieg um Menschenrechte, Demokratie und Freiheit gehe oder um den Sieg eines "brutalen Nationalismus". Wenn die Luftschläge zu keinem Erfolg führten, stehe man vor einer schweren Entscheidung. Entweder müsse die Armee des Kosovo, die UÇK, aufgerüstet werden, oder ein Einsatz von Bodentruppen der Nato könne nicht mehr ausgeschlossen werden.

In einer "Resolution zum Kosovo" mochte sich die Junge Union zum Einsatz von Bodentruppen nicht eindeutig festlegen. Dieser Punkt sei absichtlich offengelassen worden, um sich die Option der Drohung offenzulassen. Auf deutliche Kritik stieß die Formulierung bei Reservisten, die mit Blick auf den Einsatz von Bodentruppen vor einem "Flächenbrand" warnten. Leicht ironisch merkte ein Delegierter an: "Wenn wir schon Bodentruppen schicken, bis wohin sollen sie denn das Gebiet zurückerobern?"

Weiter wird in dem Papier das Einrücken einer internationalen Schutztruppe und die Rückkehr aller Vertriebenen in ihre Heimatorte verlangt, auf die eine Unabhängigkeitserklärung des Kosovo folgen könne. Grundsätzlich sei der jüngste diplomatische Vorstoß der Bundesregierung zu begrüßen, allerdings wünsche man sich die Einbeziehung Rußlands in die Verhandlungen. Für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Friedrich Merz, ist der Einsatz im Kosovo nicht in Frage zu stellen. "Wenn es Konflikte in Europa gibt, dann geht es nicht ohne Deutschland", erklärte er. Schließlich sei die Bundesrepublik das wirtschaftlich und militärisch stärkste Land in der EU.

Unmißverständlich liest sich der Leitantrag zum 25. NRW-Tag mit Forderungen zur Wahrung der "Inneren Sicherheit", in der neben Gewalt- und Eigentumsdelikten und organisierter Kriminalität auch "eines der schwierigsten Themenfelder" – die Ausländerkriminalität – aufgegriffen wird. Es sei festzuhalten, daß der Anteil ausländischer Tatverdächtiger im Vergleich zu dem Anteil der Ausländer in der Bevölkerung überproportional groß ist, heißt es in dem Papier. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr müsse zur Abschiebung führen, und der Beschluß der Innenminister, keine Täterbeschreibungen mehr zuzulassen, müsse rückgängig gemacht werden.

Außerdem solle mit einer "sinnvollen Ansiedlung von Ausländern" die gefährliche Ghettobildung verhindert werden. In anderen Strafbereichen zeigt das Papier den Willen, gesetzliche Strafrahmen wieder voll auszuschöpfen und bei Sexualdelikten Zwangstherapien und Sicherungsverwahrungen vorzunehmen. Durchgängig klingt in dem achtseitigen Dokument ein härterer Ton an, der dem neuen Konzept der Union für die kommenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen entspricht.

CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers beschwor die Anwesenden zur Geschlossenheit. Das Profil der CDU müsse in den Punkten Arbeit, Bildung, Familie und Sicherheit geschärft werden. Der "Unsinn der 630-Mark Jobs" müsse so schnell wie möglich beendet werden, forderte er unter dem Applaus der Delegierten.

Der Gastredner, Niedersachsens CDU-Chef Christian Wulff, forderte ebenfalls, die Union müsse zu ihren Wurzeln als Volkspartei zurückfinden und in der Zeit des Wertewandels Profil zeigen. "Menschenwürde, Einigkeit und Recht und Freiheit", so der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU "muß unser Wahlprogramm für die nächsten 50 Jahre sein". Inhaltlich, so der Tenor des Tages, sei die Union auf dem richtigen Kurs, der jedoch deutlich sichtbarer gefahren werden soll, wieder hin zu Adenauer und Erhard.


 
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