© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


Baden-Württemberg: Parteienkonsens in Kosovo-Debatte von Republikanern durchbrochen
Einheitsfront von schwarz bis grün
Kurt Zach

Die Emotionen kochten hoch im Landtag von Baden-Württemberg: Als "Reichskriegsminister" titulierte Republikaner-Fraktionschef Rolf Schlierer den grünen Bundesaußenminister Joseph Fischer, und CDU-Fraktionschef Günther Oettinger holzte zurück: "Eine Frechheit!" Anlaß für diese schwarz-grüne Einheitsfront: Die Aussprache über die Regierungserklärung von Ministerpräsident Teufel zur Europapolitik, die von den Republikanern in eine Grundsatzdebatte über die Rolle Deutschlands im Kosovo-Krieg umgekehrt wurde.

Als einzige "Spielverderber" verurteilten dabei die oppositionellen Republikaner die Nato-Militäraktion. Teufel hatte die vorbehaltlose Unterstützung der Landesregierung für den Kurs der Bundesregierung und das Vorgehen der Nato betont, weil "Vertreibung und Völkermord in Europa nicht mehr widerstandslos geduldet werden dürfen".

Republikaner-Fraktionschef Rolf Schlierer eröffnete daraufhin die Aussprache mit einem Frontalangriff: "Der Einsatz der Nato ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Die Beteiligung deutscher Streitkräfte daran ist verfassungswidrig und verstößt gegen den Zwei-plus-vier-Vertrag." Vertreibungen an Kosovo-Albanern und die Verbrechen der serbischen Soldateska könnten heute ebensowenig gerechtfertigt werden wie 1945, als die Donauschwaben und Zehntausende deutsche Kriegsgefangene dieses Martyrium von Händen der Tito-Partisanen erlitten. Die Berufung auf die Menschenrechte könne jedoch keine Rechtfertigung für offenen Bruch des Völkerrechts sein. Das Argument der "Nothilfe" und der "humanitären Intervention" bezeichnete Schlierer als vorgeschoben.

Der deutschen Verhandlungsführung in Rambouillet warf Schlierer "bedingungsloses Einknicken" vor den Amerikanern vor und warnte vor den Weiterungen der Wiedereinführung des "gerechten Krieges" als Mittel der Politik: "Das hat die Konsequenz, daß eine Hegemonialmacht in Zukunft bestimmt, wann und wo im Namen der Menschenrechte militärisch eingegriffen wird oder nicht. Das kann nicht im Interesse des Völkerrechts und des Friedens sein."

Schlierers Ausführungen stießen auf einhelligen Protest der vier übrigen Fraktionen. CDU-Fraktionschef Oettinger erklärte ohne weitere Begründung Nato-Krieg und Bundeswehr-Einsatz für völkerrechtskonform: "Kosovo macht eindrucksvoll deutlich, daß durch die Erweiterung der Nato und die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union die Zahl der Friedenspartner steigen muß und die Zahl der Verbrecher hoffentlich langsam gegen Null gehen wird." Die Nato müsse "mit Federführung, aber ohne Dominanz der Amerikaner" in einer "verläßlichen, abgestimmten Vorgehensweise" klar machen: "Im Haus Europa darf keiner zündeln."

Auch Oettingers SPD-Kollege Ulrich Maurer stieß in dasselbe Horn. Das Völkerrecht der "Weltordnung nach 1945" erlaube nicht, Vertreibungen und Kriegsgreuel tatenlos hinzunehmen, rechtfertigte der SPD-Mann die Beteiligung der rot-grünen Regierung am Nato-Krieg. Unbeschadet der Tatsache, daß der Redner der Republikaner die serbischen Verbrechen und Vertreibungen der Vergangenheit wie der Gegenwart ausdrücklich verurteilt hatte, behauptete Maurer: "Die deutschen Rechtsradikalen haben nicht Europa auf der Tagesordnung, sondern den Nationalismus und den Nationalstaat. Wenn sich ein Machtsystem dafür entscheidet, im Rahmen seines Nationalstaats eine ganze Bevölkerung zu massakrieren und zu vertreiben, wird das von Ihnen hingenommen, weil das, wenn ich Sie richtig verstehe, geradezu zu den dem Nationalstaat zugestandenen Rechten gehört." Und Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn polemisierte, "die Reden der Republikaner würden in ihrem Geist jetzt schon in Belgrad geschrieben".

Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Ernst Pfister, stimmte in die rot-grüne Verdammung des Nationalstaats ein: "Frieden in Europa wird es nur dann geben, wenn es uns gelingt, Nationalismen und ethnische Gegensätze auf allen Ebenen zu überwinden."

Die schwarz-rot-grün-gelbe Einigkeit wurde von Ministerpräsident Teufel in seiner Schlußentgegnung noch bekräftigt: "Der Kosovo-Einsatz der westlichen Gemeinschaft und der Bundeswehr wird im Deutschen Bundestag von der PDS und im Landtag von Baden-Württemberg von den Republikanern radikal abgelehnt. Extremisten von links außen und Extremisten von rechts außen betreiben Fundamentalopposition in dieser Frage. Radikale von beiden Seiten verurteilen den Einsatz für Menschenwürde und für Menschenrechte." Die Kritik Schlierers an der mangelnden Rechtsgrundlage der Nato-Aktion tat der CDU-Ministerpräsident mit der Behauptung ab, dies sei ein "Einsatz der freien Welt für Menschen, die sich nicht selbst helfen und wehren" könnten. "Die Rechte des Menschen gehen für mich vor den Rechten des Staates", betonte Teufel die Einmütigkeit deutscher Politiker.

Schlierer konterte, nicht nur die PDS, sondern auch eine Vielzahl namhafter Völkerrechtler und nicht zuletzt CDU- und SPD-Politiker aus der Kriegsgeneration wie Helmut Schmidt und Alfred Dregger hätten sich von dem Einsatz der Nato distanziert, weil der "humanitäre" Ansatz von vornherein nicht zu verwirklichen gewesen sei.

Durch das Bombardement habe man in Kauf genommen, daß ein friedliches Nebeneinander von Albanern und Serben in diesem Raum künftig nicht mehr möglich ist. Die Nato sitze in der Falle: Eine gesicherte Rückkehr der Flüchtlinge könne es nur noch in ein Gebiet geben, das frei von Serben sei. Freiwillig würden die Serben aber Gebiete wie das Amselfeld und die Metohija, an denen ihre nationale Identität hänge, nicht aufgeben. "Dazu bleiben Ihnen nur zwei Möglichkeiten: Entweder bomben Sie Serbien zusammen so wie 1945 Deutschland, oder aber Sie setzen Bodentruppen im Kosovo ein."

Das Vorgehen der Nato sei von Anfang an falsch gewesen Eine schnelle Rückkehr der Flüchtlinge werde es nicht geben. Die mangelnde Solidarität der übrigen Europäer bei der Bewältigung der Flüchtlingslasten zeige, daß das "europäische Wunschdenken wie Seifenblasen an der Realität zerplatzt".


 
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