© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


Doppelpaß: Parlament will diesen Freitag Einführung beschließen
Stoiber auf verlorenem Posten
Alexander Schmidt

Die anfängliche Euphorie von CDU und CSU nach der gewonnenen Landtagswahl in Hessen ist verhallt. Hoffte die Union durch die damit verbundene neue Mehrheitenverteilung im Bundesrat die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für hier geborene Kinder ausländischer Eltern stoppen zu können, standen die Oppositionsparteien am vergangenen Freitag auf der Verliererseite. Im Bundesrat herrschten keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Regierungsentwurf. Endgültig beschließen will die rot-grüne Regierungskoalition die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts an diesem Freitag im Bundestag.

In seiner Stellungnahme sprach sich der Bundesrat nur für geringfügige Änderungen aus. In das Gesetz solle eine Neuregelung aufgenommen werden, "nach der der Antrag auf Erteilung der sogenannten Beibehaltungsgenehmigung nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt werden kann". Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit dürfe erst dann eintreten, wenn "der Antrag bestandskräftig abgelehnt wurde." Mit dieser zusätzlichen Formulierung wolle man verfassungsrechtliche Bedenken ausräumen.

Neu aufgenommen wurde auch, daß die Beteiligung an politisch motivierten Gewalttaten und der Aufruf oder die Drohung mit Gewalt einem Einbürgerungsanspruch entgegenstehe. In Deutschland geborene Ausländerkinder müssen sich jetzt statt mit 23 Jahren bereits mit 21 endgültig für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. In Deutschland bereits lebende Ausländerkinder sollen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wenn sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zehn Jahre alt oder älter sind. Die Frist zur Einbürgerung Erwachsener wird von bisher 15 auf acht Jahre verkürzt und von "ausreichenden Sprachkenntnissen und einem Bekenntnis zum Grundgesetz" abhängig gemacht. Obwohl eine Mehrstaatlichkeit vermieden werden solle, wie es heißt, können auch ältere Ausländer trotz Beibehaltung der eigenen Staatsbürgerschaft den deutschen Paß bekommen.

CDU- und CSU-regierte Länder lehnen die Reform weiterhin ab, weil die Integration in Deutschland lebender Ausländer verbessert werden müsse. Sonst nütze der deutsche Paß nichts. Der Entwurf zur Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts der bayerischen Staatsregierung, der in weiten Teilen dem von CDU und CSU gleicht, fand im Bundesrat keine Mehrheit. Nach den Vorstellungen der Union kann der deutsche Paß erst am Ende eines Integrationsprozesses stehen. Eine "erkennbare Einordnung in die Lebensverhältnisse in Deutschland" spielt neben nachgewiesener Straflosigkeit und der Fähigkeit zur Selbstversorgung (die im übrigen auch in der aktuellen Reform erwähnt wird) eine übergeordnete Rolle. Stoiber kündigte für eine konservativ geführte Regierung die Rücknahme der Reform an. Stoiber: "Wenn wir die Regierung übernehmen, wird dieses Gesetz keinen Bestand haben."

In den Reihen der Union wird kritisiert, daß die Regierungsparteien nicht an einem parteiübergreifenden Konsens interessiert seien (Bayerns Innenminister Günther Beckstein) und die Änderung im Schatten des Kosovo-Krieges handelten.


 
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