© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


Photovoltaik: Die Konditionen für das 100.000-Dächer-Programm sind wenig überzeugend
Keine Brücke ins Solarzeitalter
Gerhard Quast

Es ist nicht lange her, da versprach die SPD, sie wolle nach der Regierungsübernahme eine "Brücke ins Solarzeitalter" bauen, den Anteil der regenerativen Energien an der gesamten Energieversorgung schrittweise erhöhen und die erneuerbaren Energien zu einem "Eckpfeiler der Energieversorgung" Deutschlands machen. Gar von einer "Vision für das 21. Jahrhundert" war im Wahlprogramm für die Bundestagswahl die Rede. Konkret kündigte die Partei an, der industriellen Massenfertigung moderner Solartechnologien durch ein 100.000-Dächer-Programm auf die Sprünge zu helfen.

Tatsächlich hat die Forderung nach einem 100.000-Dächer-Photovoltaik-Programm – wenn auch in letzter Minute und nur auf Druck der rot-grünen "solaren Parlamentarier" um Hermann Scheer (SPD) und Hans-Josef Fell (Grüne) – Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Dort heißt es unter dem Stichwort "Energieversorgung": "Erneuerbare Energien und Energieeinsparung haben dabei Vorrang; dazu gehört auch ein 100.000-Dächer-Programm."

Inzwischen hat das Koalitionsversprechen konkrete Formen angenommen: Bereits am 21. Januar wurden die "Richtlinien zur Förderung von Photovoltaik-Anlagen (300 MW) durch ein 100.000-Dächer-Program" im Bundesanzeiger veröffentlicht. Anders als in dem 1996 von Hermann Scheer ausgearbeiteten und vorgelegten Gesetzesentwurf "für die Förderung der industriellen Solarzellentechnologie" ist nun jedoch nicht mehr ein Zuschuß von 12.000 Mark je Kilowatt vorgesehen, also eine etwa 75prozentige Förderung, sondern nur die Möglichkeit, über die eigene Hausbank einen zinslosen Kredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufzunehmen mit der Option, die letzte der zehn Raten erlassen zu bekommen, wenn die Photovoltaik-Anlage nach zehn Jahren immer noch Strom produziert.

Vereinbar mit dem zinslosen Kredit sei außerdem die zusätzliche Finanzierung durch andere Förderprogramme, sofern die Gesamtförderung nicht die Höhe der Kosten der Anlage überschreitet. Einschränkungen gibt es in den Kommunen, in denen eine erhöhte Einspeisevergütung gezahlt wird. War ursprünglich sogar vorgesehen, Vorhaben von der Förderung auszunehmen, bei denen die Einspeisevergütung des Energieversorgungsunternehmens die im Stromeinspeisungsgesetz geregelte Mindestvergütung von derzeit 16,25 Pfennig pro Kilowattstunde übersteigt, so konnten sich Vertreter der SPD, der Bündnisgrünen, des Wirtschaftsministeriums, der KfW und des Bundesverbandes Solarenergie Ende Februar doch noch darauf einigen, daß sich das Volumen des Förderkredits nach der Höhe und dem Zeitraum der Stromeinspeisevergütung richtet, aber nicht von vorn-herein ausgeschlossen wird.

Antragsberechtigt sind im Moment nur Privatpersonen. Später sollen auch kleine und mittlere Unternehmen den Kredit in Anspruch nehmen können, sofern sie nicht mit der Herstellung von Photovoltaik-Komponenten beschäftigt sind. Gefördert werden die Neuerrichtung und die Erweiterung bestehender Photovoltaik-Anlagen ab einer neu installierten Leistung von einem Kilowatt (kW). Ausgeschlossen sind von der Förderung hingegen Eigenbauanlagen, gebrauchte Anlagen sowie Prototypen, die in einer Stückzahl von weniger als vier Exemplaren gefertigt wurden. Außerdem darf mit dem Bauvorhaben nicht vor der Antragstellung begonnen worden sein. Schließlich wurde auch das maximale Kreditvolumen auf 500.000 Euro beschränkt, so daß Anlagen von mehr als 100 kW nur zu einem gewissen Teil mit dem KfW-Kredit vorfinanziert werden können.

Die Begeisterung über das 100.000-Dächer-Programm hält sich bei den Solarfans in Grenzen. Die Mehrzahl der Solarfachverbände und Teile der Solarindustrie sind skeptisch und bezweifeln, daß das Programm zu 100.000 neuen Solarstromanlagen führen werde, so das Solarstrom-Magazin Photon. Förderprogramme in Baden-Württemberg und Niedersachsen hätten gezeigt, daß von zinsgünstigen Krediten für Solarstromanlagen kaum Gebrauch gemacht werde, unterstrich der Solarfirmenverband Nordsolar. Von dem Programm sei vielmehr eine "Energiewende rückwärts" zu erwarten, mit der Folge, daß mögliche Entlassungen in der Branche der Bonner Regierung anzulasten seien.

In die gleiche Kerbe schlägt Photovoltaik-Vorkämpfer Ernst Schrimpff, einer der größten Befürworter der kostendeckenden Vergütung von Solarstrom. Er sei über die "peanuts" entsetzt gewesen. Die Regierung falle weit hinter die kostendeckende Vergütung zurück und appelliere an die "Opferbereitschaft der Idealisten". Doch die werde nicht ausreichen, um den versprochenen Weg in die Solarwirtschaft zu ebnen, so Schrimpff gegenüber dem Solarstrom-Magazin.

Hermann Scheer, der "Bonner Sonnen-Zampano" (Photon), sieht das ganz anders. Er verteidigt das Null-Zins-Programm als die einzige Möglichkeit, ein Förderprogramm sofort und ohne "marktzerstörerische Verzögerung" starten zu können. Jede andere Lösung hätte den Beginn der Finanzierung bis Mitte 1999 hinausgezögert und so manchem Solarbetrieb den Garaus gemacht. Außerdem erspare dieses "weltweit größte und anspruchsvollste Programm für Photovoltaik-Anlagen" den bürokratischen Papier- und Antragskrieg früherer Förderungen. Der Weg mit dem ausgefüllten Formular zur Hausbank reiche aus, um den Kredit zu bekommen. Auch müßten die Solarfreunde von der verbreiteten Mentalität wegkommen, daß sich Investitionen im Photovoltaik-Bereich nur durch direkte Zuschüsse realisieren lassen.

Besonders für den privaten Häuslebauer seien die jetzigen Konditionen wenig attraktiv, entgegnet Anne Kreutzmann, Photon-Chefredakteurin. "Denn wer Geld für eine Technik ausgeben möchte, die sich betriebswirtschaftlich betrachtet nicht rechnet, hat dieses Geld verfügbar, benötigt also keinen Kredit. Wer dagegen ohne Kredit nicht bauen kann, wird sich nicht an ein Zehn-Jahres-Projekt binden, das ihm kaum Geld einbringt. So gesehen sind die Befürchtungen der kleinen Solarfirmen also durchaus berechtigt." Statt ein Förderprogramm aufzulegen, das vorgibt, "die magische Zahl 100.000 einzulösen", kritisiert Kreutzmann, wäre es sinnvoller gewesen, "ein etwas bescheideneres Programm zu starten, das seinen Namen auch tatsächlich verdient. Denn die Förderhöhe für die einzelne Anlage hat sich mit der neuen Regierung deutlich verschlechtert, und das wird dem Kunden kaum verborgen bleiben."

Bis heute sollen einige hundert Kreditanträge eingegangen sein. Von den für 1999 geplanten 6.000 Photovoltaik-Anlagen ist Deutschland aber noch weit entfernt – vom Solarzeitalter erst recht.


 
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