© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/99 14. Mai 1999


PDS und NPD: Rechte und Linke demonstrierten zur gleichen Zeit gegen die Nato-Angriffe
Protestierer standen im strömenden Regen
Ronald Gläser

Berlin. Regen. Die Frisur sitzt. Aber Gregor Gysi ist etwas heiser. Doch was der Vorsitzende der PDS-Fraktion im Bundestag an diesem Tag zu sagen hat, wissen die Teilnehmer der "Anti-Kriegs-Kundgebung" ohnehin schon: daß die deutsche und die amerikanische Rüstungsindustrie die Kriegsgewinnler sind und daß es im Kosovo um die weltweite Ressourcenverteilung geht. Die rot-grüne Bundesregierung forderte er auf, den "Nato-Angriffskrieg auf Jugoslawien zu stoppen".

Die Berliner Polizei kommt nicht zur Ruhe. Nach den Krawallen am 1. Mai mußte sie am vergangenen Wochenende erneut mit 2.000 Beamten zum Großeinsatz ausrücken. Den Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht hatten verschiedene Organisationen zum Anlaß für sogenannte Anti-Kriegs-Kundgebungen genommen. Rund 50 Gruppen, darunter die PDS, demonstrierten unter dem Motto "Helfen statt Bomben" auf dem Gendarmenmarkt weitgehend friedlich. Unter den Demonstranten befand sich eine große Zahl von PKK-Anhängern, die mittlerweile gut organisiert auf jeder linken Demo mit Plakaten und Spruchbändern anzutreffen sind. Zahlreiche Serben nahmen ebenfalls mit Fahnen an der Kundgebung teil und verteilten "Target-Anstecker" unter den Demonstranten.

Vor dem Schauspielhaus entrollten Demonstranten ein etwa 40 Meter langes Plakat, das die wahren Ansichten der Friedensbewegung offenbarte: "Gäbe es die DDR noch, hätte es keinen deutschen Angriffskrieg auf Jugoslawien gegeben". Im strömenden Regen harrten rund 10.000 Teilnehmer aus. Ein beträchtlicher Teil der gewaltbereiten Linken aber pilgerte noch vor Ende der Veranstaltung Richtung Brandenburger Tor, das nur wenige hundert Meter entfernt liegt.

Dort fand zeitgleich eine rechte Kundgebung statt, die von einigen Einzelpersonen angemeldet worden war. Weil rechte Parteien wie die DVU und insbesondere die NPD, deren Demonstration in Bremen in der Vorwoche verboten worden war, ebenfalls zu dieser Kundgebung aufgerufen hatten, war die Demonstration zunächst mit dem Hinweis auf gewalttätige Ausschreitungen der Antifa von der Polizei verboten worden. Das Verwaltungsgericht Berlin revidierte diese Entscheidung in der Nacht zum Sonnabend. Der Platz rund um den Reichstag war großflächig von der Polizei abgeschirmt. Polizeibeamte ließen nur Personen passieren, die "optisch der NPD zuzuordnen sind", obwohl die Rechtspartei nicht einmal der Hauptveranstalter war. Ob dahinter die Absicht stand, die Kundgebungsteilnehmer auf den harten Kern zu reduzieren, wollte ein Polizeipressesprecher auf Nachfrage nicht bestätigen: "So etwas entscheiden die Polizeiführer vor Ort."

Insgesamt fanden sich rund 50 Personen ein, unter ihnen auch die Veranstalterin der Frankfurter Montagsdemonstrationen, Annemarie Paulitsch, der NPD-Vorsitzende Udo Voigt und Friedrich Baunack von der "Deutschland-Bewegung" Alfred Mechtersheimers. Baunack erinnerte in seiner Rede an die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und distanzierte sich von Milosevic und der "Schlächtermentalität seiner Schergen", bezeichnete aber die Nato-Bombardements als "krank".

Baunack erinnerte an Generaloberst Löhr, der 1941 Belgrad ohne Kriegserklärung bombardieren ließ und dafür sechs Jahre später als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde.

Besonderes Interesse der zahlreich anwesenden Berichterstatter rief der Hauptredner Horst Mahler hervor, der die Deutschen aufforderte, "zu sich selbst zurückzufinden". Den 8. Mai 1945 bezeichnete der umtriebige Anwalt und frühere RAF-Terrorist als tiefen Einschnitt, "den das Volk bis heute nicht verarbeitet hat".

Aufgrund des massiven Polizeieinsatzes verlief auch diese Kundgebung ebenso wie die linke Gegendemonstration friedlich.


 
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