© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/99 14. Mai 1999


Krieg in Jugoslawien: Wie die Nato dem islamischen Fundamentalismus den Weg freibombt
Heiliger Krieg um Europa beginnt
Michael Wiesberg

Das renommierte US-Periodikum Foreign Affairs räumt in seiner aktuellen Ausgabe (Mai-Juni 1999) der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UÇK breiten Raum ein. Der Verfasser des Beitrages, der ausgewiesene Balkankenner Chris Hedges, stellt gleich zu Anfang fest, daß die UÇK in ihrem Streben nach einem unabhängigen Kosovo zum jetzigen und einem Groß-Albanien zu einem späteren Zeitpunkt keine Kompromisse mache. Die UÇK hätte in der Zwischenzeit, zur Bestürzung der Washingtoner Möchte-gern-Friedensstifter, den machtlosen politischen Führer der kosovo-albanischen Mehrheit, Ibrahim Rugova, verdrängt. Hoffnungsträger und Stimme der meisten Kosovo-Albaner sei jetzt die UÇK.

Hedges bleibt freilich auffallend zurückhaltend, wenn er auf die ideologische Ausrichtung der UÇK zu sprechen kommt. Eher beiläufig erwähnt er, daß US-Beamte Verbindungen der UÇK zu islamischen Organisationen aufgedeckt hätten, die die UÇK ganz offensichtlich finanzierten. Insbesondere wohltätige islamische Vereinigungen am persischen Golf würden der UÇK Millionen von Dollar zukommen lassen.

Was Hedges in seinem Beitrag nicht erwähnt, ist die Tatsache, daß die UÇK bis zu Beginn der serbischen Polizeieinsätze im Kosovo seitens der USA bis weit in das Jahr 1998 hinein als terroristische Vereinigung eingestuft wurde. In diesem Zusammenhang sei auf einen aufschlußreichen Artikel der konservativen US-Wochenzeitung Human Events vom 5. März 1999 verwiesen. Im Juli 1998, so berichtet die Zeitung, seien Einheiten der jugoslawischen Armee mit einer Gruppe von Mujaheddin an der serbisch-albanischen Grenze in ein Feuergefecht geraten. Diese hätten versucht, durch die Berge in die serbische Provinz Kosovo einzusickern.

Die Jugoslawen haben bei diesem Gefecht einen Guerilla namens Alija Rabie erschossen. Zwar sei dieser Albaner gewesen, dennoch aber Mitglied der UÇK. Die Dokumente, die die Jugoslawen bei Rabie fanden, hätten bewiesen, daß dieser ein Kontingent von 50 ausländischen Mujaheddin angeführt habe, die einen "Heiligen Krieg" gegen die christlich-orthodoxe Minderheit im Kosovo entfachen sollten.

Im weiteren Verlauf des Artikels nimmt Human Events auf Erkenntnisse aus der englischen Publikation Jane’s International Defense Review Bezug. "Jane" ist eine in Großbritannien ansässige Nato-nahe Institution, die sich insbesondere auf die Beobachtung sogenannter "Schurkenstaaten" spezialisiert hat und eng mit amerikanischen Nachrichtendiensten zusammenarbeitet.

"Jane" charakerisiert die UÇK als eine heimtückische Bewegung, die insbesondere drei Ziele verfolge. Einmal die Ermordung von Muslimen, die nicht mit der UÇK kooperierten. Zweitens die Ermordung serbischer Polizisten. Und schließlich, als wichtigstes Ziel der UÇK: den Terror gegen die christlich-orthodoxe Minderheit im Kosovo. Dieser Terror habe aus der Sicht der UÇK zwei Konsequenzen, die deren Zielen entgegenkommen: Einmal die Aufgabe der Provinz durch die Serben, zum anderen die scharfe Verurteilung der Vergeltungsaktionen der serbischen Polizeieinheiten durch die OSZE-Beobachter (siehe JF 19/99).

Es kann bei diesem Hintergrund nicht wundern, daß Human Events starke Zweifel an der Politik der Regierung Clinton äußert: Was für eine Politik dies sei, fragt die Zeitung, die auf eine Unterstützung einer nationalen Unabhängigkeitsbewegung hinauslaufe, die sich terroristischer Mittel seitens muslimischer Guerillas bedient, die wiederum von arabischen Staaten finanziert werden. Und dies alles innerhalb der historischen Grenzen einer europäischen Nation.

Human Events ist mitnichten die einzige Quelle, die sich mit dem islamisch-fundamentalistischen Charakter der UÇK auseinandersetzt. So berichtete Chris Stephen für The Scotsman am 30. November 1998 aus Pristina, daß islamische Fundamentalisten in Albanien inzwischen voll etabliert seien, ungeachtet einiger Razzien seitens der CIA und albanischer Sicherheitskräfte, die im Sommer 1998 zur Festnahme von fünf Schlüsselakteuren des "Islamischen Djihad" und anderen Mitgliedern von islamischen Gruppen aus dem Mittleren Osten führten. Die albanischen Sicherheitskräfte verwiesen nach Angaben Stephens auf den steigenden Einfluß muslimischer Extremisten aus einer Reihe islamischer Staaten auf den Kosovo. Fatos Klosi, der dem albanischen Nachrichtendienst vorsteht, sehe, so Stephen, eine starke Einflußnahme insbesondere aus Ägypten, Algerien, Tunesien und dem Sudan.

Die UÇK als Sonderpolizei muslimischer Extremisten

Trotz der Tatsache, daß die Fundamentalisten in der Frage der Gewaltanwendung Zugeständnisse gemacht hätten, so kommentiert Stephen weiter, bestehe seitens der USA die konkrete Furcht, daß sich die Rebellenbewegung UÇK mehr und mehr in Richtung der Fundamentalisten orientieren könnte. In diesem Zusammenhang erwähnt Stephen auch den Namen des US-Staatsfeindes Nr. eins, Osama Bin Laden. Dessen Männer würden bereits in Albanien operieren.

Stephen bezog sich bei seinen Ausfährungen augenscheinlich auf einen Bericht der Nachrichtenagentur Associated Press vom 29. November 1998, in dem der bereits erwähnte Fatos Klosi darauf hinwies, daß Osama Bin Laden ein Netzwerk betreibe, das Einheiten für den Kampf im Kosovo bereitstelle bzw. zusammenstelle.

Am detailliertesten berichtete in diesem Zusammenhang Steve Rodan von der Jerusalem Post am 14. September 1998. Zunächst verweist auch Rodan auf die Gelder, die der Iran und Saudi-Arabien für die UÇK-Rebellen bereitstellten. Auch findet sich wieder der Hinweis auf Bin Laden. Rodan führt in diesem Zusammenhang sinngemäß aus: Beamte des US-Nachrichtendienstes behaupteten, daß die UÇK auch von seiten Osama Bin Ladens unterstützt werde, der als Drahtzieher der Terroranschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Dar-es-Salam gelte.

Die wachsende islamisch-fundamentalistische Präsenz sowohl in Bosnien als auch im Kosovo sei allerdings ein Gesichtspunkt, der kaum einen Niederschlag in der Berichterstattung finde, schreibt Rodan weiter. Rodan begründet dies wie folgt: Da die arabische und die islamische Welt insgesamt einen gewaltigen Markt für einen Großteil der Staaten Europas darstellten, werde die Verstrickung einiger islamischer Staaten niedriggehängt, weil eine Denunziation von deren Aktivitäten im Kosovo als geschäftsschädigend angesehen werde. Dennoch werde die wachsende Unterstützung der UÇK insbesondere durch den Iran seitens der Europäer als eine gewaltige Bedrohung für den ganzen Balkan gedeutet, die bis nach Westeuropa hin Auswirkungen zeitigen könnte.

Rodan führt eine Reihe von Indizien für die Aktivität des Iran in Albanien an. Nicht nur, daß die iranischen Revolutionsgarden begonnen hätten, Mitglieder der UÇK auszubilden. Iranische und saudi-arabische Beuauftragte hätten darüber hinaus Niederlassungen gegründet, um die Unterstützungsmaßnahmen für die UÇK zu organisieren. Eine islamische Bank sei in der albanischen Hauptstadt Tirana gegründet worden. Und in Skadar (Albanien) hätten iranische Vertreter die Ayatollah-Khomeni-Gesellschaft eröffnet.

Die Ausbilder und Guerillas der UÇK hätten in ihren Reihen viele Iraner, die in den frühen neunziger Jahren bereits in Bosnien kämpften. Westliche Nachrichtendienste schätzten, so Rodan weiter, deren Zahl auf etwa 7.000. Von denen hätten viele bosnische Frauen geheiratet. Es befänden sich aber auch Afghanen, Algererier, Tschetschenen und Ägypter in den Reihen der UÇK.

Rodan zitiert in diesem Zusammenhang einen Mitarbeiter des US-Kongresses mit den Worten, daß sich die Regierung Clinton der iranischen Aktivitäten im Kosovo und Bosnien voll bewußt sei. Die Regierung wolle aber mit allen Mitteln den Deckel auf dem Topf halten. Auch auf die Gefahr hin, daß die Iraner davon profitierten und frei in der Region operieren könnten. Es bedürfe keiner besonderen Erwähnung, so wird dieser Mitarbeier weiter zitiert, daß die Europäer über diese Entwicklung im höchsten Maße beunruhigt seien.

In die gleiche Richtung geht ein Artikel von Uzi Mahnaimi für die Londoner Sunday Times vom 22. März 1998. Dieser schreibt, daß die iranischen Revolutionsgarden und der saudi-arabische Millionär Bin Laden zusammenarbeiten würden, um die kosovo-albanische Untergrundarmee zu unterstützen. Angestrebt werde die Etablierung einer zentralen Basis für bewaffnete islamische Aktivitäten in Europa. Mahnaimi verweist darauf, daß das US State Department Bin Laden, der der exponierteste Unterstützer islamischer Extremisten sei, sich darüber im klaren sei, daß dieser seine Operationsbasen auf Osteuropa ausgedehnt habe.

USA Today vom 22. September 1998 berichtete im gleichen Zusammenhang, daß die UÇK bekannt sei für ihre Verbindungen zu terroristischen Gruppierungen wie denen Bin Ladens. Der selbe Bin Laden, so fügt USA Today hinzu, der der USA den "heiligen Krieg" erklärt habe.

Es kann angesichts dieser Nachrichtenlage kein Zweifel darüber bestehen, daß die US-Regierung über den starken islamisch-fundamentalistischen Einfluß auf die UÇK vollständig informiert ist.

Christlichen Einfluß auf dem Balkan zurückdrängen

Scheich Mohammed Stubla, der Präsident der albanisch-islamischen Gesellschaft in London, erklärte auf die Frage, was die UÇK verkörpere und welche politische Ziele sie verfolge, in einem Interview für das Nida’ul Islam Magazine (April-Mai 1998) folgendes: Die UÇK sei eine albanisch-islamische Organisation, die angetreten sei, sich selbst, ihr Volk, ihre Heimat und ihre Religion mit allen Mitteln und Möglichkeiten zu verteidigen. Das Ziel der UÇK sei die Unabhängigkeit und Befreiung ihrer Heimat vom Feind. Es spiele keine Rolle, was alles der Feind in der Absicht unternehmen werde, den Islam oder die Moslems auf dem Balkan auszuschalten. Diese Absichten werden aufgrund der Stärke des Islams nur das Gegenteil dessen erreichen, was sie beabsichtigten. Düster sind auch die Äußerungen Mohammed Stublas in Richtung Griechenland, das aus seiner Sicht dem Genozid der Serben im Kosovo den Weg bereite.

Was Mohammed Stubla unter dem Einsatz aller Mittel versteht, zeigt die Terror-Bilanz der UÇK. Seit ihren ersten Gewaltakten vor acht Jahren hat die UÇK nach Angaben von Associated Press, United Press International, Pristhina Media Center und Kosova Information Center insgesamt 135 Polizisten, 124 albanische Zivilisten (nach UÇK-Lesart: "Kollaborateure") und 115 andere Zivilisten (Serben und andere Minoritäten im Kosovo) ermordet. 101 Menschen wurden auf der Seite der UÇK im selben Zeitraum schwer, 125 leicht verletzt. 1998/99 kidnappte die UÇK 179 Serben oder Montenegriner, 104 Albaner, 14 Zigeuner und 6 Menschen mit anderer nationaler Herkunft. Darüber hinaus wurde ein ausländischer Staatsbürger entführt. 125 Menschen konnten entfliehen oder wurden von der UÇK freigelassen. Die anderen wurden für tot erklärt oder haben ein unbekanntes Schicksal.

Zumindest hingewiesen werden muß auf die Verbindung der UÇK zur organisierten Kriminalität, insbesondere zum Heroin-Handel, der einen eigenen Artikel wert wäre. Daß Gelder aus dem Drogengeschäft für den Kampf der UÇK verwendet werden, darauf verwies zum Beispiel die italienische Zeitung Corriere della Sera vom 19. Januar 1999. Diese berichtet über die Festnahme des aus Pristina stammenden Mailänders Drogenkönigs Agim Gashi (35), der einen Teil der Billionen von Lire, die er aus dem Drogenhandel zog, dem Kampf seines Bruders im Kosovo zur Verfügung stellte.

Nachrichten wie diese lassen sich beliebig aneinanderreihen. Schon am 6. Juni 1994 berichtete die International Herald Tribune, daß albanische Drogenhändler in Westeuropa, insbesondere aber in Deutschland mit türkischen Kriminellen konkurrierten. Diese seien der Polizei wenig bekannt und hätten enge Verbindungen mit georgischen und armenischen Mafiosi, die den Türken mißtrauten. Am 10. Dezember berichtete die Londener Zeitung The Independent, daß die Albaner 70 Prozent des schweizerischen Heroinmarktes kontrollierten. 2.000 Albaner aus dem Kosovo befänden sich aufgrund von Drogendelikten in Schweizer Gefängnissen.

Am 15. März berichtete The Phi-ladelphia Inquirer, daß sich Italien mit einer neuen Welle kosovo-albanischer Krimineller auseinandersetzen müsse. Deren Brutalität übertreffe die der italienischen Mafia bei weitem. Ein italienischer Polizist wird mit der Aussage zitiert: Als der Krieg im Kosovo begann, habe er beobachten können, daß die kosovo-albanischen Gangs, die vorher nur an Drogenhandel interessiert gewesen seien, plötzlich Interesse zeigten, Waffen zu kaufen.

Diese Beispiele mögen ausreichen, um zu zeigen, wem die Nato, insbesondere aber die USA, im Kosovo den Weg freibombt. Dieser Krieg dient keineswegs europäischen Interessen, sondern schafft dem islamischen Fundamenta-lismus in Europa eine neue Operationsbasis, die nicht nur eine weitere Radikalisierung der in Europa lebenden Muslime nach sich ziehen könnte, sondern auch der organisierten Kriminalität neue logistische Möglichkeiten eröffnet.


 
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