© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/99 21. Mai 1999


Expo 2000: Die Vorbereitungen für die Weltausstellung in Hannover laufen auf Hochtouren
Glaspaläste und Runddörfer
Ines Steding

Auf nicht mehr ganz leisen Sohlen kommt ein Weltereignis auf Deutschland zu, dessen Dimensionen mit dem strapazierten Beiwort "gigantisch" am ehesten charakterisiert werden können: nämlich die Weltausstellung "Expo 2000" in Hannover. Ihre anfänglichen personellen und finanziellen Wechselbäder hat sie inzwischen hinter sich gelassen: Einmal in dem sichtbar von Tag zu Tag baulich wachsenden Hannoveraner Messegelände, das zu diesem Zwecke für die Zeit zwischen Juni und Oktober 2000 Expo-Gelände genannt wird. Zum anderen verläuft parallel dazu die Sinnfüllung des Ganzen mit der nun akzeptierten und alles umfassenden Direktive "Mensch – Natur – Technik".

Viel Gelegenheit zum kleinlichen Kulissengeschiebe bleibt nicht mehr. Der sture Blick auf den Countdown und das Vertrauen auf die sich entfesselnden Eigenkräfte haben dann auch Expo-General-Kommissarin Birgit Breuel das Überleben im Amte gesichert, der Haushaltsausschuß des Bundestages hat sie jedenfalls schon längere Zeit nicht mehr nach Bonn vorgeladen. Bei der großen Eröffnung am 1. Juni 2000 wird die CDU-Politikerin ein personifiziertes Merkmal der Erinnerung dafür abgeben, daß die untergegangene CDU/CSU-FDP-Regierung mitentscheidend den zunächst steinigen Weg zum Großanlaß freischaufelte. Und manch einem wird aufstoßen, daß die Fanfaren des Erfolgs den heute in Bund und Land Niedersachsen omnipräsenten rot-grünen Verantwortungsträgern zugute kommen.

Mit Fug und Recht sollte von einem möglichen Mißerfolg nicht gesprochen werden. Dagegen sprechen längst die Fakten: mit inzwischen 190 Staaten ein Rekord an Teilnehmerstaaten, 20 Millionen erwartete Besucher, sprudelnde Steuereinnahmen, von einem volkswirtschaftlichen Effekt von 17 Milliarden Mark ist die Rede in einem Gutachten der Nord-Landesbank. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Das Verkehrsaufkommen bereitet noch Probleme

Natürlich bereitet die Logistik, das heißt die möglichst reibungslose Lenkung der Personen- und Warenströme, Probleme größter Art, die noch nicht zur Gänze gelöst sind; es wahrscheinlich auch nicht werden, und das nicht allein, weil der Verkehrsweg "Anreise zu Wasser" bis an die Leine-Gestade Hannovers nicht eben besonders praktikabel ist. Die Verkehrsplanung, an der mit Hochdruck gearbeitet wird, braucht flexible, merkantile Anreize, denn eine gleichmäßige, nicht zu sehr auf begehrte Zeiten konzentrierte Nachfrage ist auch hier nur mittels marktwirtschaftlicher Win-Win-Ansätze zu erreichen.

Ansonsten: Mit der allerersten "Wallfahrtsstätte zum Fetisch Ware" (Walter Benjamin) auf deutschem Boden entfällt ein weiteres Kapitel zur "verspäteten Nation". Ein Blick 100 Jahre zurück zeigt, daß in Deutschland immer wieder Anläufe gemacht wurden, um die Weltausstellung hierhin zu holen, in ein Land, in dem nicht nur Dichter und Denker gewirkt haben, sondern auch Erfinder, Ingenieure und notwendig umtriebige Unternehmer. Gescheitert ist damals alles immer wieder an der Klein-Staaterei, was sich im bundesrepublikanischen Zeitalter beinahe fortgesetzt hätte.

So wird manch ein weltausstellungserprobter deutscher Betrieb erstaunt sein, dieses Mal keine grenzüberschreitende Reise antreten zu müssen. Das im badischen Weinheim ansässige traditionsreiche Familienunternehmen Carl Freudenberg hat seit dem Londoner Auftakt von 1851 sämtliche Weltausstellungen beschickt und ist regelmäßig mit im Firmenarchiv gehegten Plaketten und Prämierungen heimgekehrt. Wer mag damit wohl noch (weltweit) mithalten?

Eine Weltausstellung war immer mehr als eine reine Fach- und Handelsmesse, vielmehr war ein Rahmenprogramm typisch, das, neben technischem Zauber und Höchstleistungen aller Art, die weltweite Publikumsschar anzog. Auch in Hannover wird darauf gesetzt. Darüber hinaus ein absolutes Novum sind bei der kommenden Weltausstellung die fast 400 dezentral gestreuten weltweiten Expo-Projekte. Als Pulsgeber dient das Expo-Gelände, das vom Schlüsselbegriff "Nachnutzung" umrankt wird. Der Umweltschutzgedanke verplant restlos alles, jede Verzehrumhüllung und jeder Papierschnipsel werden, pädagogisch und didaktisch aufbereitet, ihrer endgültigen Bestimmung zugeführt. Selbst die Baulichkeiten im "Park der Nationen" müssen "nachnutzbar" errichtet werden. Die meisten Teilnehmerstaaten "vermachen" nämlich ihre oftmals aufwendigen Gebäude der Hannover-Messe AG, nur einige wenige schiffen alles komplett nach Hause zurück.

Noch könnte Serbien an der Expo 2000 teilnehmen

Bei soviel Umweltaufklärung rettet man sich dann gerne zum deutschen Ur-Grübler "Dr. Faustus" hinüber: Die Vorstellungsserie der beiden Teile des Goethe-Dramas zählt zum kulturellen Großereignis. Expo heavy und Cola light, das Spektrum reicht weit: Coca Cola ist offizieller "Expo-Produktpartner" und das mit Tradition. Seit 1935 hat der Brauseproduzent keine Expo verpaßt.

Also stimmt alles? Oder auch nicht so ganz, weil nämlich zum geschichtsträchtigen Milleniumsauftakt Rom sein nicht minder Scharen anziehendes Heiliges Jahr ausgerufen hat. Aber das ist ein unechter Wettbewerb, denn Seelenheil und weltliches Heil sollten sich ergänzen, und sei es durch Kombi-Tickets!

Freilich, der völkerverbindende Großreigen spiegelt zugleich die politische Großwetterlage wider. Wenn die Expo-Verwaltung in ihren Reihen auch den Sachverstand des eigens beurlaubten Diplomaten Ingo Herbert führt, behalten sich Auswärtiges Amt und Kanzleramt letzte Entscheidungen vor. Dies gilt zum Beispiel für die PC-Liste der einzuladenden Nationen. Bis heute nicht bedacht wurden Somalia, Nord-Korea, Irak und Taiwan, wobei letzteres wieder einmal zu Gunsten des übermächtigen China das Nachsehen hat.

Anders gelagert ist es mit Serbien, das zum Zeitpunkt der Einladung noch keine kriegsführende Nation war und zur Weltausstellung zusagte. In der Zwischenzeit wurden ihm hierfür zwar die beantragten finanziellen Hilfen durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gestrichen, eine offizielle Ausladung gibt es jedoch nicht. Serbiens Teilnahme wird – wie es aus dem Auswärtigen Amt verlautet – "im Lichte der weiteren Entwicklungen im Kosovo geprüft". Von einem "verwirkten Expo-Recht" als weiterem Signal der Ächtung des Milosevic-Regime wird momentan noch abgesehen.


 
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