© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/99 21. Mai 1999


George Soros: Die Krise des globalen Kapitalismus
Gefahr für die offene Gesellschaft
Eberhard Hamer

Der erfolgreiche Börsenspekulant und Finanzguru George Soros hat Milliarden an dem Kapitalismus verdient, den er jetzt kritisiert. Man weiß deshalb nicht: Ist dieses Buch ein Rechtfertigungsversuch für die Schäden, die George Soros mit seinen Währungsspekulationen angerichtet hat, oder will sich hier jemand nur nachträglich beweisen?

Richtig ist, daß Soros die Veränderung der Weltwirtschaft in den letzten 30 Jahren beschreibt. Tatsächlich sind die immer gewaltigeren Finanzströme in den Händen von Spekulanten ein ungeheures Risikopotential, welches jederzeit zu Kurzschlüssen der Spekulation führen kann. Soros beschreibt auch zu Recht, daß das Bankensystem und die internationalen Organisationen diesen neuen Dimensionen des Großkapitalismus gar nicht gewachsen sind, weil sie zumeist national verhaftet oder ohne internationale Machtbasis sind.

Soros sieht nach dem Ende des Sozialismus nun auch den Kapitalismus in der Krise. Die Marktwirtschaft hat sich unter dem Einfluß des Großkapitals zu einem kapitalistischen Weltsystem verändert, weil neue Formen des Kapitalismus wie die großen Investmentfonds oder Derivate, Swaps und Termintransaktionen und fast ungehemmte Kreditausweitung Instabilitäten in sich tragen, welche von nationalen politischen Institutionen nicht mehr beherrscht werden können. Und internationale Institutionen sind darauf noch nicht vorbereitet und nicht legitimiert. Soros sieht deshalb die Gefahr einer Selbstzerstörung des kapitalistischen Weltsystems, weil die internationalen Finanzfachleute unfähig seien, es zusammenzuhalten. Nehmen die Instabilitäten zu, könnte schon in nächster Zeit ein Finanzkollaps folgen.

Als Rettungsmaßnahmen sieht er eine ausgeglichene Verteilung des Kapitals in der Welt an (die zur Zeit nicht besteht), mehr Kompetenz für internationale Finanzorganisationen wie den EMF. Letztlich befürwortet Soros auch Kapitalkontrollen und ein Programm für Kreditgarantien, um die Risiken des ungehemmten Kapitalismus zu reduzieren und Zusammenbrüche zu verhindern.

Diese Darstellung der Kapitalismus- und Finanzmarktrisiken ist weder neu noch originell. Soros bringt im Grunde auch keine nicht schon bekannten Lösungsvorschläge. Diese Thematik macht aber nicht einmal die Hälfte des ganzen Buches aus. Dazwischen schildert er die – bekannten – Verläufe der internationalen Währungskrisen in den asiatischen und südamerikanischen Staaten und bringt vor allem sein Modell einer "offenen Gesellschaft, in welcher nicht mehr blanker Egoismus des amerikanischen Turbokapitalismus das menschliche Leben ausschließlich bestimmt und sogar nach Kultur und Moral greift, sondern in welcher wieder ethische Werte gelten sollten". Wie dies allerdings dann umzusetzen wäre oder auszusehen hätte, schildert er nicht.

Man kann also zum Buch von Soros sagen: Im wesentlichen nichts Neues. Es dient wohl hauptsächlich einem in erhebliche Kritik geratenen rigorosen Finanzspekulanten als Versuch einer Rechtfertigung. Immerhin ist er einer der Hauptvertreter des radikalen amerikanischen Kapitalismus, den er in seinem Buch verurteilt und dessen Kollaps er voraussagt.

Aber das Buch hat auch viele nachdenkliche Absätze, die man bei Soros nicht erwartet, wie zum Beispiel Seite 121: "Persönliche Neigung und gesellschaftlicher Trend verstärken sich gegenseitig. Man bekennt sich zu keinem anderen Prinzip mehr als dem des puren Eigeninteresses. Nur noch Erfolg wird bewundert; Politiker werden gerühmt, weil sie gewählt werden, nicht wegen der Prinzipien, die sie vertreten. Geschäftsleute werden geschätzt wegen ihres Reichtums, nicht wegen ihrer Integrität oder ihres Beitrages zum Gemeinwohl. Die Frage ‘Was ist richtig?’ wurde ersetzt durch die Frage ‘Was ist effektiv?’ Dadurch ist es leichter geworden, ohne moralischen Leitfaden Erfolg zu haben. Ich muß wohl nicht erklären, warum ich hierin eine große Gefahr für die Stabilität unserer Gesellschaft sehe." Solche und ähnliche Absätze werden der Leserschaft, die nach Soros’ Buch greift, kaum gefallen, sollen aber wohl gerade sie ansprechen.

 

George Soros: Die Krise des globalen Kapitalismus. Offene Gesellschaft in Gefahr. Alexander Fest Verlag, Berlin 1998, 300 Seiten, 39,80 Mark


 
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