© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/99 21. Mai 1999


Gleiches Recht
von Horst Rudolf Übelacker

ie Schrecken des Krieges sind – nach mehr als einem halben Jahrhundert – wieder allgegenwärtig. Vertreibung und Genozid sind – von der Völkergemeinschaft nicht rechtzeitig geächtet – allen westlichen Beteuerungen zum Trotz zum Mittel der Politik geworden, diesmal auf dem Balkan und anstatt von Völkermord als lediglich "ethnische Säuberung" verharmlost. Die "westlichen Medien" umschreiben – in verdächtig einheitlicher Sprachregelung (die nicht für eine "freie Presse" spricht) und vorsätzlich wahrheitswidrig – das Elend von Hunderttausenden, zumeist Albanern, als "die größte Vertreibung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges". Damit leugnen sie das wahrhaft "singuläre" Jahrhundertverbrechen an 20 Millionen deutschen Flüchtlingen und gezielt entwurzelten ost- und sudetendeutschen sowie auslandsdeutschen Heimatvertriebenen.

Während also der hunderttausendfache Bruch der Menschenrechte 1999 zu Recht immer neu beschworen und scheinbar gerügt wird, verschweigt man in voller Kenntnis der weitaus schlimmeren Umstände von 1945 die Verbrechen der Alliierten und Assoziierten am deutschen Volk. Man pflegt selektives "Vergessen und Verschweigen", um sich ganz unbehindert – ebenso selektiv – der Holocaust-Kultur zuwenden zu können. Der Zweite Weltkrieg, so will es scheinen, ist am 8. Mai 1945 keineswegs beendet worden, sondern wird – wenn auch mit anderen Mitteln – bis in unsere Tage weitergeführt. Dieser Krieg findet trotz Umerziehung, Demokratisierung, Nato- und EU-Einbindung und UNO-Mitgliedschaft noch heute statt, so in den Medien und in der selektiven Vergangenheits-"Überwältigung", in den reparationsersetzenden Dauerbelastungen des deutschen Staatswesens unter alliierten Vorbehaltsrechten, in der Rechtsverweigerung für Deutsche, insbesondere für Ost- und Sudetendeutsche, und der Rechtsgewährung für alles Nichtdeutsche. Aus naheliegenden Gründen werden die Kriegslügen gegen Deutschland aufrechterhalten (wenn nicht sogar erweitert), wird Deutschland ein Friedensvertrag mit Reparations-Schlußregelung und eine Aufhebung der UNO-Feindstaaten-Klauseln verweigert.

Seit dem 24. März 1999 gibt es einen neuen, einen zusätzlichen Krieg ohne Kriegserklärung. Den Kosovo-Krieg zwischen der Nato, die anläßlich ihrer Osterweiterung von der Verteidigungs- zur Angriffsgemeinschaft mutierte, und Jugoslawien, das nach seinem gerechten Zerfall jetzt unter großserbischen Vorzeichen auf die Erneuerung eines Balkan-Völkerkerkers hinstrebt und dabei vor keinerlei Menschenrechtsbruch und Völkermord zurückschreckt. Die Nato führt somit einen vom modernen Völkerrecht geächteten Angriffskrieg – angeblich zur Durchsetzung der Menschenrechte und zur Unterbindung von Flucht, Vertreibung und Genozid, vielleicht aber auch und nicht zuletzt zur Ausweitung der ohnedies in ihrer Dominanz kaum noch überbietbaren Supermachtposition der USA. Rußland ist hin- und hergerissen zwischen allslawischen Interessen und moslemischen Zentrifugalkräften, zudem auf Finanzmittel "des Westens" dringend angewiesen, ebenso wie auf weltweite "Gesichtswahrung" als ehemalige Supermacht. Und Bonn/Berlin, regiert von rot-grünen Ex-Pazifisten, ist zur "Kriegspartei" avanciert, unterstützt die nächtlichen Ziel-Bombardements, wohl auch den angekündigten Übergang zu Flächen-Bombardements (wie vom britischen Bomber-Harris zum Beispiel in Dresden verübt). Wahrscheinlich würde Rot-Grün sich von Uncle Sam sogar zum bereits ernsthaft diskutierten Einsatz von Bodentruppen hinreißen lassen. Danach steht dann nur noch der weltweite deutsche Truppeneinsatz – unter US-Oberbefehl, versteht sich – zur Diskussion, einzige Voraussetzung ist die Gefahr oder die Tatsache einer "humanitären Katastrophe", die in der Tat ständig weltweit gegeben sind.

Was geschieht, wenn Serbien zerbombt, in Schutt und Asche gelegt worden ist? Dann gibt es die "Goldhagen-Endlösung", die der pseudowissenschaftliche Autor des Diffamierungs-Epos "Hitlers willige Vollstrecker" mit "Eine ‘deutsche Lösung’ für den Balkan" in bekannter volkspädagogisch-zynischer Weise umschreibt: "Um das Völkermorden zu beenden, muß die Nato Serbien besiegen, besetzen und umerziehen." Die Mehrheit des serbischen Volkes habe sich durch die Unterstützung oder Hinnahme der Milosevic-Politik der "moralischen und juristischen Kompetenz beraubt, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln und ist zu einer Gefahr für andere geworden" (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 1./2. Mai 1999).

Die Lehre des US-Imperialismus, die immer und überall uneingeschränkt zu beachten ist, lautet demnach: Wer eine von Washington nicht akzeptierte Politik unterstützt oder auch nur widerstandslos hinnimmt, wird "besiegt, besetzt und umerzogen" – eben entmündigt –, so wie seit 1945 die Deutschen. Widerstand auf US-Geheiß wird zur Pflicht, Gehorsam gegen den eigenen Staat und die eigene (womöglich demokratisch gewählte) Regierung wird hart bestraft, Souveränität im Angesicht der Supermacht fallweise geradezu kriminalisiert – das Ende der Nationalstaaten? Nicht auszudenken, wenn derartige Pflicht zum Widerstand auf Bonn/ Berlin oder gar auf den "Weltpolizisten" USA angewendet werden würde ...

Die deutsche Bevölkerung in den Vertreibungs- und Deportationsgebieten in Ostdeutschland, Ost- und Südosteuropa umfaßte einst 20 Millionen Menschen, von denen nur geringe "Reste" dort verblieben sind. Die deutschen Vertreibungsverluste sind mit mindestens 2,8 Millionen Menschen anzusetzen.

Es ist erschütternd, die "prozentuale Betroffenheit" einzelner deutscher Landschaften nachzulesen und zugleich die Brutalität des Medien-Schweigens und -Verschweigens dazu in Beziehung zu setzen. Diese Zahlen zum "Jahrhundertverbrechen" an den Deutschen werden in ihrer Absolutheit und schaurigen Größe an die nachwachsende Generation nicht weitergegeben, ebenso wie die in Dokumentationen nachgewiesenen grauenvollen Einzelheiten – ganz im Gegensatz zum Holocaust-Geschehen – vorsätzlich unterdrückt werden.

So weiß die deutsche Öffentlichkeit (den Medien sei Dank!) alles über Auschwitz, Bergen-Belsen und Birkenau, aber nichts über die tschechischen Greueltaten an Deutschen im Prager Stadion, bei den Massakern und Todesmärschen von Nemmersdorf, Postlberg oder Brünn.

Die Vertreibungen der Deutschen werden als "gerechte Strafe" für bloßes Deutschsein abgetan, im Falle der Sudetendeutschen unter Hinweis auf angeblich "illoyale" CSR-Bürgerschaft geradezu gerechtfertigt. Tschechische Rückholaktionen im Rahmen der Optionsvereinbarung von 1938, die in friedlicher Form und unter Mitnahme der gesamten Habe durchgeführt wurden, werden als "Beginn des Vertreibungsgeschehens", ausgelöst durch die deutsche Seite, fehlinterpretiert. Die von entschädigungsloser Enteignung und hunderttausendfachem Massenmord begleiteten Vertreibungen nach dem Ende der Kampfhandlungen werden als "gerechte tschechische Rache" vermittelt.

Kein Zweifel: Weder bestand 1945 der geringste Rechtfertigungsgrund für Vertreibung, Enteignung und Genozid, noch ist dies in unseren Tagen der Fall. Es hat zwar nicht an Versuchen der Vertreiberstaaten Polen und Tschechoslowakei gefehlt, "die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges" mit ihren Jahrhundert-Untaten zu arrondieren. Auch die alliierten Sieger sind über die "Potsdamer Beredungen" vom 2. August 1945 in die Pflicht genommen worden, weil sie einem "humanen Bevölkerungstransfer" zugestimmt und damit bis heute unbewältigte Schuld auf sich geladen haben. Es gab und gibt keine Verbrechensrechtfertigungen, vielmehr nur "unbewältigte Vergangenheit" – sowohl bei den rechtsbrechenden "Großen Drei", als auch bei den Assoziierten, die sich zum Zwecke der Rache, der Land- und Raubnahme zum Tisch der Sieger geschlichen hatten und von diesen dort geduldet wurden.

Die Resolution 562 des Repräsentantenhauses vom 13. Oktober 1998 hat in verdienstvoller Weise die Rechtslage verdeutlicht. Danach haben Staaten für entschädigungslose Enteignungen Schadenersatz zu leisten, sofern sie das entzogene Eigentum nicht auf dem Wege der Naturalrestitution zurückerstatten. Wie der Witikobund schon seit längerem immer wieder betont hat, sind Anspruchsberechtigte im sudetendeutschen Bereich der böhmische Adel, die Kirchen, insbesondere die katholische Kirche, die Jugend im böhmischen Raum und die Sudetendeutschen. Auf letzteres und auf ihre wohlbegründeten Ansprüche weist die – eigentlich primär zur Verfolgung jüdischer Interessen konzipierte – Resolution in überzeugender und genereller Weise hin. Wer Rückgabe- oder Entschädigungsansprüche aus Eigentumsrechten geltend zu machen hat, ist gut beraten, diese jetzt zu stellen und der notwendigen Beweissicherung Vorrang einzuräumen.

1999 herrscht Krieg im Kosovo und wird unter anderem die serbische Hauptstadt Belgrad bombardiert, weil Kosovo-Albaner vertrieben werden. Vertreibungen stellen sich hier als Mittel der Politik inmitten kriegerischer Auseinandersetzungen dar. Eine Rückkehr der heimatberechtigten Albaner wird von der Nato zur Friedensbedingung erhoben, die serbische Verweigerungshaltung als Rechtfertigung der Militärschläge verwendet.

1945 fanden – im wesentlichen nach Unterzeichnung der militärischen Kapitulation Deutschlands – die sudetendeutschen Enteignungen und Vertreibungen samt Massenmord statt. Die "Großen Drei" unterließen es wohlweislich, deswegen Prag zu bombardieren, sondern sanktionierten vielmehr die "singulären" Jahrhundertverbrechen, die im Unterschied zu 1999 erst nach Kriegsende verübt wurden.

Die menschenrechtsverachtende serbische Kriegsmaschinerie wird aller Voraussicht nach in ihre Schranken gewiesen, Serbien zum Frieden gezwungen werden. Die Rückkehr der Vertriebenen und die Wiedereinsetzung in ihre Rechte wird maßgebender Inhalt von Friedensvereinbarungen sein müssen.

Demgegenüber ist die Regelung der Ansprüche der 20 Millionen zählenden deutschen Aufenthaltsbevölkerung in den Vertreibungs- und Deportationsgebieten noch immer offen und harrt einer dauerhaften Lösung.

Nicht hinnehmbar ist in jedem Fall die Auferlegung eines "Sonderopfers" dieses Teils des deutschen Gesamtvolkes, stellvertretend für alle übrigen Deutschen und zum Zweck selektiverReparationsleistungen zur Rechnung Deutschlands ohne abschließenden Friedensvertrag.

Ein solcher Vertrag würde zu einer abschließenden Feststellung aller gegen Deutschland gerichteten Ansprüche führen, müßte die bisher erbrachten Leistungen dagegen aufrechnen und würde nach der Logik derartiger Vereinbarungen anstelle von künftig unbegrenzten Forderungen zu einer für alle Seiten verbindlichen Sicherung des Standorts Deutschland führen. Die Vertreiberstaaten wären bei dieser Gelegenheit gezwungen, ihrerseits eine Schlußabrechnung ihrer Reparationsforderung zu erstellen und eine Bewertung der geraubten Individual- und Gemeinschaftsvermögen vorzunehmen, die bisher noch aussteht.

Vor einer solchen in die Zukunft wirkenden, allgemein akzeptierten und deshalb dauerhaften Friedensregelung haben die Vertreiberstaaten keinen Anspruch, in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Im Gegenteil: Eine auf Dauer angelegte Rechtskultur muß sich vor EU-Mitgliedern schützen, die Genozid- und Enteignungsdekrete zum "unverzichtbaren Bestandteil ihrer Rechtsordnung" erklärt haben und uneinsichtig daran festhalten, im Sinne des Völkerrechtes.

 

Horst Rudolf Übelacker, Jahrgang 1936, ist Bundesvorsitzender des Witikobundes, einer sudetendeutschen Gesinnungsgemeinschaft.


 
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