© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/99 28. Mai 1999


Wirtschaft: Die Zukunftspläne des Luft- und Raumfahrtkonzerns DASA
Unbemannt über Jugoslawien
Rüdiger Ruhnau

Mit 46.000 Beschäftigten ist der Luft- und Raumfahrtkonzern "Daimler-Chrysler Aerospace AG", DASA, das größte deutsche Unternehmen dieser Art, in dem alle Aktivitäten auf den Gebieten Verkehrsflugzeuge, Hubschrauber, Luftrüstung und Raumfahrt gebündelt sind. Im Vergleich zu dem US-Giganten Boeing, mit einem Umsatz von 45 Milliarden Dollar, nimmt die DASA mit neun Milliarden Umsatz allerdings einen bescheidenen Platz ein, und in der europäischen Rangordnung steht die Daimler-Tochter nach Engländern und Franzosen an dritter Stelle. Die kürzlich erfolgte Fusion von Daimler-Benz mit Chrysler, dem drittgrößten Autoproduzenten in den USA, war eine Sensation ersten Ranges, bildete sie doch den bisher größten Zusammenschluß in der Industriegeschichte. Sinn solcher Fusionen ist natürlich die Gewinnmaximierung.

Im Bereich der Verkehrsflugzeuge hat die DASA ihre Geschäfte in der Airbus GmbH positioniert; deren Geschichte ist eng verbunden mit Namen wie Focke-Wulf, Junkers, Messerschmidt, Heinkel, Blohm & Voss und weiteren Traditionsfirmen des deutschen Flugzeugbaus, die, über mehrere Schritte hinweg, im Airbus-Unternehmen aufgegangen sind. In Europa hatte man frühzeitig erkannt, daß nur eine integrierte Luft- und Raumfahrtindustrie überlebensfähig ist. 1970 kam es zur Gründung der Airbus-Industrie, an der die DASA und Aerospatiale (Frankreich) mit je 37,9 Prozent, British Aerospace mit 20 Prozent und Casa (Spanien) mit 4,2 Prozent beteiligt sind.

Inzwischen hat sich die Airbus-Industrie mit ihren sieben Flugzeug-Typen gegen starke amerikanische Konkurrenz fest etabliert. Weltweit fliegen über 1.400 Airbus-Maschinen für zirka 130 Fluggesellschaften. Während die Endmontage der Flugzeuge bis 1992 ausschließlich in Toulouse stattfand, werden jetzt die Typen A 321 und A 319 in Hamburg endmontiert, wo auch der größte Teil des Rumpfes und die Seitenleitwerke hergestellt werden. Die am Südufer der Elbe ansässige DASA braucht für den geplanten Super-Airbus A 3XX neue Montage- und Lackierhallen von gewaltigen Ausmaßen, was auf den Widerstand der Anlieger stößt. Der Riesen-Jet soll mehr als 550 Personen befördern können und dem US-Jumbo Boeing 747, der in diesem Marktsegment Monopolstellung besitzt, Konkurrenz machen.

Etwa zehn Prozent des DASA-Umsatzes entfallen auf den Bereich Militärflugzeuge. Neben der Entwicklung und Produktion der Tornado-Kampfflugzeuge (sie fliegen gerade Einsätze im Kosovo) sowie des Frühwarnflugzeuges Awacs steht die technisch-logistische Betreuung der fliegenden Systeme der Bundeswehr. 1997 beschloß der Bundestag die Anschaffung des europäischen Jagdflugzeuges "Eurofighter". An der Serienfertigung sind Deutschland, England, Italien und Spanien beteiligt. Von den vorgesehenen 620 Maschinen sollen 180 von der DASA gefertigt werden.

Im Bereich Verteidigung entwickelt und produziert die DASA Lenkflugkörpersysteme zur Panzerabwehr, Luftverteidigung und für den Seezieleinsatz. Der über Lichtwellenleiter gelenkte Flugkörper Polyphem konnte die Entwicklungsphase erfolgreich abschließen. Bis zum Jahre 2001 läuft das Programm für die Wartung und Instandsetzung der in Europa stationierten Patriot-Abwehrraketen. Der Zielsuchkopf für die Kampf-Drohne des Bundesheeres wurde bis zur Serienreife entwickelt. Sechs Aufklärungs-Drohnen einer in Mazedonien stationierten Drohnen-Batterie fliegen zur Zeit täglich über Jugoslawien, um serbische Stellungen auszukundschaften. In Ulm stellt die DASA komplette Anlagen für elektronische Kampfführung her, mobile Funküberwachungssysteme gestatten das Aufbrechen eines gegnerischen Kommunikationssystems. Eine 40prozentige Beteiligung hält die DASA an der Eurocopter-Gruppe, dem größten Hubschrauberproduzenten der Welt, mit jeweils zwei Standorten in Deutschland und Frankreich.

Die Raumfahrt nimmt mit 1,1 Milliarden Mark am Umsatz des Daimler-Chrysler-Aerospace-Konzerns teil. Dieser Geschäftsbereich ist für Orbitalsysteme und deren Nutzung sowie für Träger und Antriebe verantwortlich. Schwerpunkt bilden die DASA-Beiträge zu den Programmen "Columbus Forschungsstation" und "Ariane". Alle Entwicklungs- und Produktionsleistungen werden an den Standorten Bremen, Friedrichshafen, Lampoldshausen und Ottobrunn erbracht, wo insgesamt 2.000 Menschen beschäftigt sind. Der deutsche Beitrag zu der Raumstation "Alpha", dem größten internationalen technischen Gemeinschaftsunternehmen der Menschheitsgeschichte, besteht in den Entwicklungsarbeiten für das Raumlabor "Columbus". In den kommenden fünf Jahren sollen auf 45 Transportflügen die einzelnen Module, von denen Columbus nur ein kleiner Teil ist, zum Zusammenbau der Weltraumstation in den Orbit gebracht werden. Eine siebenköpfige Besatzung wird dann in der 74 Meter langen Raumstation "Alpha" eine Reihe von Forschungsarbeiten im All durchführen können.

Mit der europäischen Trägerrakete ARIANE 5 ist Europa weltweit führend. Sie ist für eine Nutzlast bis zu sechs Tonnen angelegt und soll Fernmelde-Satelliten, aber auch andere Lasten ins All transportieren. Die zweite Stufe der ARIANE 5 mit dem Antriebssystem Aestus wird im DASA-Werk Bremen gebaut. Die Endmontage der Rakete übernimmt das französische Raumfahrtunternehmen Arianespace, an welchem die DASA und die MAN Technologie AG mit je 7,5 Prozent beteiligt sind.

Zur Erforschung der klimatischen Veränderungen hat die "Dornier Satellitensysteme GmbH" in Friedrichshafen, eine 100prozentige Tochter der Daimler-Chrysler Aerospace, den multidisziplinären Beobachtungssatelliten "ENVISAT" entwickelt, der noch in diesem Jahr mit einer ARIANE 5 ins All gestartet werden soll. Dornier hat die Führung in einem Industriekonsortium von über 80 europäischen Firmen, das im Auftrag der ESA (Europäische Weltraumorganisation) die vielen Instrumente zur Messung der physikalischen und technischen Parameter in den verschiedenen irdischen Sphären herstellt. "ENVISAT" soll weltweit Datensätze liefern, die es erlauben, die von Menschen verursachten Prozesse in ein globales Bild des Ökosystems Erde einzuordnen. Jährlich will der Bund mit fast einer Milliarde DM die ESA-Projekte unterstützen.

Die unlängst gescheiterte Fusion der DASA mit British Aerospace hat den gewünschten europäischen Rüstungs- und Luftfahrtkonzern, den Deutsche, Engländer und Franzosen bilden wollten, in weite Ferne gerückt. Die Briten haben sich zu einem Alleingang entschlossen. Mit den Franzosen allein wollen die Deutschen nicht fusionieren, weil Paris auf diesem Sektor eine dominierende Rolle spielt. Die Macht der global players ist so groß, daß nur annähernd gleichgewichtige Partner bei einer Fusion die Chance haben, nicht völlig geschluckt zu werden. Demgegenüber zeigt sich eine Annäherung an US-Firmen: Die Daimler-Tochter DASA hat mit dem Rüstungskonzern Lockheed Martin ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das Zubehör und Leistungen rund um die von Lockheed hergestellten Patriot-Raketen liefern soll. Auch die Bestrebungen, das Airbus-Konsortium in eine voll integrierte europäische Kapitalgesellschaft umzuwandeln, lassen keine Fortschritte erkennen. Haupthindernis ist der französische Staat, der infolge seines Aktienanteils bei der Aerospatiale zu viel Einfluß auf die Geschäftspolitik nehmen könnte. DASA-Chef Bischoff forderte deshalb den vollständigen Rückzug des französischen Staats als Voraussetzung "für eine erfolgreiche Restrukturierung der gesamten europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie".


 
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